Mosaiksteinchen aus Vreden

08.02.2022 Niklas Regenbrecht

Einband "Mosaiksteinchen zur Vredener Geschichte".

Niklas Regenbrecht

Ortsgeschichte und Heimatforschung sind nicht ausschließlich Angelegenheiten für Menschen im fortgeschrittenen Alter. Das zeigt anschaulich der jüngst erschienene Band der Beiträge des Heimatvereins Vreden zur Landes- und Volkskunde. Den titelgebenden „Mosaiksteinchen“ gleich, versammelt er unter anderem Schülerarbeiten, die zusammengenommen dazu beitragen, das – wenn man im Bild bleiben möchte – Gesamtmosaik der Vredener Ortgeschichte zu vervollständigen.

Völlig zu Recht weist Carola Terhürne in ihrer Einführung darauf hin, dass auch Schülerarbeiten als eigenständige Forschungsarbeiten Anerkennung und Wertschätzung verdienen. Sie lieferten einen Beitrag zur lokalen Geschichtskultur, benötigten aber besondere „Gelingensbedingungen“ (S. 13). Diese waren hier offensichtlich gegeben, in Form von Unterstützung durch Lehrer, Archive, Bibliotheken und den Heimatverein. Dass diese Ergebnisse dann auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, ist besonders hervorzuheben. An anderer Stelle verschwinden ähnliche Arbeiten viel zu häufig ungelesen in Schubladen, könnten doch auch sie – gerade durch eine andere generationelle Sicht – andere Perspektiven oder Themen in den Fokus bringen. Das zeigt sich nicht nur in Vreden, sondern auch andernorts in Westfalen, wo beispielsweise durch das Stadtarchiv Münster Schülerarbeiten bekanntgemacht und verzeichnet werden. Auch über das Portal Westfälische Geschichte können diese recherchiert werden.

Im Einzelnen besteht der Band „Mosaiksteinchen zur Vredener Geschichte“ aus fünf überarbeiteten Facharbeiten von Oberstufenschülerinnen des Gymnasium Georgianum und zwei weiteren Beiträgen von Volker Tschuschke und Hubert Krandick. Der erste Beitrag (Wiebke Ostendorf / Olivia Wielers) widmet sich der Geschichte des Vredener Kriegervereins im Kaiserreich und insbesondere der Frage, warum dieser Verein augenscheinlich direkt nach seiner Gründung im Jahre 1972 zwei Jahrzehnte lang keinerlei Aktivitäten durchführte. Als dieser Verein – im Gegensatz zu solchen an anderen Orten – schließlich aus dem „Dornröschenschlaf“ (S. 40) erwachte, ging er schon fast seinem Ende entgegen.

Der Band ist anschaulich mit beispielsweise Postkarten...

Die Industrialisierung im Westmünsterland und ihre Darstellung auf Postkarten beleuchtet der Beitrag von Wiebke Beutler. In vergleichender Perspektive mit weiteren Städten werden die jugendstilartigen Darstellungen von Fortschrittlichkeit auf Chromolithographien betrachtet. Diese zeigten weniger tatsächliche Abbilder der Ortschaften, als vielmehr „die damaligen urbanen und städtebaulichen Trends und Ideale“ (S. 92).
Gleich zwei Beiträge widmen sich anhand von Beispielen aus der Weimarer Zeit den wiederkehrend aktuellen sozialen Fragen der Wohnungsnot und der Arbeitslosigkeit. Neele Streich untersucht die Tätigkeit des Mieteinigungsamtes Vreden als verwaltungsseitigem „Instrument zur Wohnraumzwangsbewirtschaftung“ (S. 99) und die kommunalen Wohnungsbauprogramme. Die ebenfalls aus der wirtschaftlichen Lage resultierende Massenarbeitslosigkeit analysiert Nadja Winkler in vier verschiedenen Phasen. Auch Sie untersucht das Verwaltungshandeln, welches durch Arbeitsbeschaffungsprogramme in Form von Straßenbau geprägt war.

...oder Karten bebildert.

In der fünften in dem Sammelband enthaltenen Facharbeit untersucht die Verfasserin Irene Bomkamp Schülerzeitungen aus Vreden zwischen 1970 und 2010. Sie konstatiert eine Entwicklung der dominierenden Themen von Politik hin zu Unterhaltung. Durch Abdruck zahlreicher Beispielseiten erhält man auch optisch einen guten Eindruck von dieser Quelle für die Jugendkultur.
Zwei weitere Aufsätze runden den Band ab. Hubert Krandick befasst sich ebenfalls mit Jugendkultur, hier am Beispiel einer Vredener Jugendband, die seit dem Ende der 1960er Jahre aktiv war und regional Bekanntheit erlangte. Volker Tschuschke beleuchtet in einem abgedruckten Vortrag das 50. Jubiläum der Kommunalreform und des Zusammenschlusses der Gemeinden Vreden und Ammeloe. Er schildert launig, dass auch Blockadehaltungen sich in Erfolgsgeschichten verwandeln können.

Der Band ist, wie bei Beiträgen etwa über Postkarten naheliegend aber keineswegs selbstverständlich, ansprechend bebildert. Die Beiträge sind allesamt gut lesbar. Mit der Themenbrandbreite werden somit weitere Mosaiksteinchen zur Ortsgeschichte von Vreden hinzugefügt. Die Zusammenarbeit von Heimatverein, Archiv und Schule erweist sich auch hier als ein wichtiger Motor der lokalen Geschichtskultur.

 

Mosaiksteinchen zur Vredener Geschichte. Aufsätze zum 19. und 20. Jahrhundert, Beiträge des Heimatvereins Vreden zur Landes- und Volkskunde, Band 103, hrsg. vom Heimat- und Altertumsverein der Vredener Lande, Vreden 2021.