Archivbestände vorgestellt: Nachlass Zölffel – Jugend und Fliegen im Nationalsozialismus

19.01.2021 Niklas Regenbrecht

Hans-Dieter Zölffel und seine Brüder, undatiert, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 2014.00482.

Niklas Regenbrecht

„Anreise in Uniform. Arbeitszeug mitbringen. Fahrkarten aufheben, damit Fahrgeld vom Bauern erstattet werden kann.“ So lautete der knappe schriftliche Befehl zur Erntehilfe an eine Einheit der Hitlerjugend. Ein ehemaliger Hitlerjunge, der diesem Befehl Folge zu leisten hatte, bewahrte das heute stockfleckige und vergilbte Schriftstück auf. So fand es den Weg ins Archiv für Alltagskultur in Westfalen. Hier werden Nachlässe ganz normaler Leute aufbewahrt, wie zum Beispiel der Nachlass von Renate Zölffel, geborene Müller, aus Nottuln. Die überlieferten Dokumente stammen mehrheitlich von ihrem Mann Hans-Dieter Zölffel, dem Empfänger des oben genannten Befehls, und seiner Familie. Ein räumlicher Schwerpunkt ist Gelsenkirchen-Buer.  

Wie in vielen anderen Nachlässen auch, finden sich hier typische Fragmente einer Familienüberlieferung. Dazu gehören Fotografien, Korrespondenzen sowie gesammelte Dokumente und Urkunden aus Familienbesitz. Etwa in Form eines Erinnerungsbuches einer Reise ins Riesengebirge von 1909 oder eines Poesiealbums einer weiblichen Verwandten aus den 1910er Jahren. Daneben findet sich ein Familienstammbuch und eine aufwendig gestaltete und gebundene Abhandlung zur Genealogie der Familie Zölffel, die 1928 im Selbstverlag erschien.  

Darüber hinaus sind zwei spezifische Themen in diesem Nachlass auszumachen: Jugend im Nationalsozialismus und Fliegerei. Beides findet sich über Ausweis- und Nachweisdokumente vermittelt. So sind in Bezug auf die nationalsozialistischen Jugendorganisationen mehrere Ausweis-, Versicherungs- und Quittungsdokumente verzeichnet, wie etwa ein „Mitglieds-Ausweis für das Deutsche Jungvolk in der Hitler-Jugend“ von 1934 oder eine Zahlkarte der Hitlerjugend von 1937-1939, aber auch so etwas wie ein Jugendherbergsausweis von 1938. Schon im Jugendalter gehörte der Mann der Nachlasserin, Hans-Dieter Zölffel, dem NS-Fliegerkorps an und war während des Zweiten Weltkrieges bei der Junkers-Motorenbau in Dessau beschäftigt. Hiervon zeugen etwa ein Flugbuch, eine Bescheinigung über ein Segelflieger-Abzeichen oder ein Versicherungsschein des NS-Fliegerkorps.  

Der Nachlass besteht aus 64 Verzeichnungseinheiten und hat eine Gesamtlaufzeit von 1908 bis 2009. Er kam im Jahr 2013 als Schenkung ins Archiv für Alltagskultur in Westfalen und ist voll erschlossen. Von der Fliegerei im Nationalsozialismus über Poesiealben und Reiseerinnerungen beinhaltet dieser Bestand eine Vielzahl von Zeugnissen, die eine Quellengrundlage für die Beschäftigung mit verschiedenen alltagshistorischen Themengebieten darstellen können.


Personenbestand Zölffel, Renate, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, K02762.