Abbildungen auf Notgeldscheinen erzählen von lokalen Besonderheiten
Nikola Böcker
Wer an die wirtschaftliche Situation vor 100 Jahren denkt, dem kommen vermutlich Bilder von Schubkarren gefüllt mit Geldscheinen oder Brotpreise in Höhe von mehreren Milliarden Reichsmark in den Kopf. Die Geldpolitik der Kriegsjahre und die folgenden hohen Reparationszahlungen führten in Deutschland im Jahr 1923 zu einer Hyperinflation, also einer fast vollständigen Entwertung des Geldes. In dieser Situation behalf man sich mit sogenanntem Notgeld, das heute u.a. auch eine spannende historische Quelle darstellt.
Der Begriff Notgeld beschreibt grundsätzlich einen Geldersatz, der im Zahlungsverkehr anstelle der gesetzlichen Zahlungsmittel genutzt wird, wenn diese fehlen. Notgeld gab es bereits in der Antike und auch in der Frühen Neuzeit und in der Moderne gab es immer wieder Jahre, in denen Notgeld zum Zahlungsmittel wurde. Dies geschah ebenso nach den beiden Weltkriegen in Deutschland oder etwa noch in den 1970er Jahren in Italien. Oft wurden als Grundlage für Notgeldscheine alte, einseitig bedruckte Papiere wie Postkarten, Plakate, Tapeten, teilweise sogar Spielkarten oder Lotterielose verwendet. In Einzelfällen traten auch Materialien wie Textilien, Glas, Ton oder Steingut auf, etwa bei den seit 1920 hergestellten Münzen aus Meißener Porzellan.
Eine rechtliche Grundlage gab es für das Notgeld nicht. Der Staat musste es jedoch meist dulden, da es an staatlichen Zahlungsmitteln mangelte. Er handhabte die Situation mit Verwaltungsanweisungen, um zumindest Missbräuche zu verhindern. Trotz dieser Einschränkungen gab es um 1920 im Deutschen Reich zwischen 2000 und 3000 öffentliche und private Ausgabestellen, vor allem von Städten und Privatfirmen, teils auch von Gemeinden, Ämtern, Sparkassen und anderen Behörden. Der Gesamtbetrag an Notgeld für diesen Zeitraum wird auf etwa 300 bis 400 Millionen Mark geschätzt.
Notgeld war aber nicht nur Zahlungsmittel in Krisenzeiten. In der Zeit zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Hyperinflation zeigt ein besonders interessantes Phänomen: Die Gestaltung der Notgeldscheine wurde immer elaborierter und individueller. Während zwischen 1914 und 1919 zunächst Behelfsausgaben, dann Kleingeldscheine und -münzen und schließlich Großgeldscheine in Umlauf gebracht wurden, traten zwischen 1919 und 1922 vermehrt auch Notgeldscheine auf, bei denen nicht ihre Funktion als Zahlungsmittel, sondern ihr Sammelwert im Vordergrund stand. Bei diesen besonders gestalteten Serienscheinen handelt es sich letztlich um Pseudo-Geld. Sie wurden in Serien von Scheinen desselben Nominals mit ähnlicher Gestaltung teilweise sogar über Kataloge angeboten. Es gab sie in vielen deutschen Städten und Gemeinden. Besonders bekannt sind die „Bielefelder Seidenscheine“, neben denen sich in der Textilstadt auch solche aus Jute, Samt oder Leinen fanden.
Obwohl schon frühere Notgeldscheine Besonderheiten der Gestaltung aufweisen, wird dies bei den Serienscheinen besonders deutlich. Sie zeigen gewisse Gestaltungsnormen, wobei auf der Vorderseite des Scheins das Nominal und die Ausgabestelle sowie das Ausgabedatum und die Gültigkeitsdauer abgedruckt sind. Die Rückseite dagegen ist oft aufwändig gestaltet und verrät Einiges über die Absichten der Ausgabestellen und -orte bei der Scheinproduktion. Historische Szenen stehen hier neben Abbildungen von Personen, Gebäuden oder Landschaften aus dem örtlichen Umfeld.
Auch im Archiv der Kommission Alltagskulturforschung für Westfalen findet sich Notgeld, das die Eigenschaften von Serienscheinen aufweist. Oft werden örtliche Besonderheiten oder charakteristische Landschaften abgebildet, so etwa auch auf den Scheinen der Stadt Münster, die unter anderem den Dom und das historische Rathaus zeigen: