Obst für den Winter: Elisabeth Hippe berichtet über „eine umsichtige Vorratswirtschaft“ (1944/45)

13.01.2023 Niklas Regenbrecht

Der Hof Klack in Bockhorst-Siedinghausen, Foto von Ludwig Klack, Privatbesitz Sebastian Schröder.

Sebastian Schröder

Wer im Winter Äpfel aus dem eigenen Garten genießen möchte, der muss direkt nach der Ernte vorsorgen und entsprechende Vorkehrungen zur Lagerung der Früchte treffen. Auch die damals 18-jährige und aus dem heutigen Preußisch Oldendorfer Ortsteil Bad Holzhausen stammende Elisabeth Hippe erhielt während ihrer im Mai 1944 begonnenen Lehrzeit genaue Anweisungen, wie das Obst zu behandeln sei. Das Lagern der Äpfel war ein elementarer Bestandteil ihrer Lehre in der ländlichen Hauswirtschaft. Und sie führte genau Buch über ihre einjährige Tätigkeit auf dem Betrieb Klack in Bockhorst-Siedinghausen (heute Kreis Gütersloh). Ein Blick in ihre Notizen bietet aufschlussreiche Erkenntnisse, wie zur Mitte des 20. Jahrhunderts Nahrungsmittel auf dem Land haltbar gemacht wurden.

Mit dem Ziel einer möglichst weitreichenden wirtschaftlichen Autarkie wurde in der NS-Zeit unter anderem auch eine gewissenhafte „Vorratswirtschaft“ propagiert und vermittelt. Dies dokumentiert sich auch in den Aufzeichnungen von Elisabeth Hippe: „Die Durchführung einer planmäßigen Vorratshaltung ist im Landhaushalt, jetzt im Kriege, besonders wichtig. Um im ganzen Jahr unabhängig vom Markt zu sein, aber trotzdem einen abwechselungsreichen Küchenzettel zu haben, ist eine umsichtige Vorratswirtschaft notwendig. Da im Sommer viel Obst und Gemüse vorhanden ist, machen wir es für den Winter haltbar.“

Folgende Apfelsorten gediehen auf dem Hof Klack: Schöner aus Boskoop, Graue Renette, Sternrenette, Westfälischer Gülderling, Jakob Lebel, Dülmener Rosenapfel, Kaiser-Wilhelm-Apfel, Cox Orange und Tiefenblüte. Um ihre Qualität über Monate hinweg zu erhalten, galt es, den winterlichen Lagerort sorgsam auszuwählen, wie Elisabeth Hippe betonte: „Der Obstkeller muß ein luftiger, frostfreier und trockener Raum sein. Die günstigste Temperatur liegt bei 1–2° Celsius. Bei einem zu feuchten Raum faulen die Äpfel zu leicht, man stellt darum eine Kiste mit Kalk auf, der die Feuchtigkeit wegnimmt. Bei einem zu trockenen Raum schrumpft das Obst leicht zusammen, man muß den Raum öfters feucht wischen. Der Obstkeller wird wöchentlich gereinigt und zweimal im Jahr gründlich. Im Frühjahr wird geweißt. Die Aufbewahrung des Obstes erfolgt auf Obsthorden. Starkriechende Stoffe, wie Benzin und Petroleum, dürfen nicht im Obstkeller aufbewahrt werden, da das Obst den Geruch sofort annimmt. Nach der gründlichen Reinigung des Obstkellers im Frühjahr kann er noch ausgeschwefelt werden, damit alle Fäulnisbakterien vernichtet werden.“ Solange kein Frost zu erwarten war, sorgte man für ausreichend Luftzufuhr. Bei anhaltenden Minusgraden wurden die Fenster des Obstkellers mit „Säcken oder Stalldünger abgedichtet. Tritt Tauwetter ein, wird der Schutz entfernt, damit wieder gut gelüftet werden kann.“

Gartenplan, Zeichnung von Elisabeth Hippe im Merkbuch.

Auf dem Bauernhof Klack wurde Tafel- von Wirtschaftsobst unterschieden. Große Aufmerksamkeit erfuhr das Tafelobst, das auf Borden beziehungsweise in Schränken aufbewahrt wurde. In Siedinghausen war ein „Obstschrank mit ausziehbaren Fächern“ vorhanden, den Elisabeth Hippe als „sehr praktisch“ schätzte. Zur Einlagerung teilte sie mit: „Das Tafelobst wird vorher gut durchgesehen und nach Sorten sorgfältig auf die Borde gelegt. Es dürfen keine Druckstellen entstehen, da diese leicht faulen und dann das gesunde Obst mit anstecken. Die Äpfel legt man auf den Stiel und die Birnen auf die Blüte. Das Obst darf sich nicht berühren. Das Obst wird jede Woche durchgesehen. Das angefaulte Obst wird ausgelesen und sofort verbraucht.“ Premiumäpfel erhielten sogar eine außerordentliche Behandlung: „Besonders kostbares Obst wickelt man in Seidenpapier, man packt es dann schichtweise mit Torf dazwischen in eine Holzkiste.“ Im Gegensatz dazu handelte es sich beim Wirtschaftsobst um Äpfel oder Birnen, die nicht den hohen Qualitätsanforderungen entsprachen oder schadhafte Stellen aufwiesen. Sie wurden sogleich verbraucht.

Eine andere Möglichkeit zur Aufbewahrung von Obst bestand im Dörren der Äpfel, Birnen und Pflaumen. Äpfel und Birnen schälte man dazu, entfernte zudem das Gehäuse und breitete sie auf Horden aus, wo sie bei „mäßiger Hitze vor und bei etwas schwächerer Hitze nach“ getrocknet wurden. Bäuerin Luise Klack erklärte ihren Lehrlingen außerdem, wie man Apfelringe auf eine Schnur auffädeln und von der Sonne dörren lassen konnte. Pflaumen mussten mit einem sauberen Tuch gereinigt werden; es war dabei einerlei, ob man vor dem Trocknen den Stein entfernte oder nicht. Außerdem unterrichtete Luise Klack ihre Lehrlinge in der Herstellung von Kompott aus Äpfeln, Birnen, Pflaumen, Kirschen, Stachelbeeren, Erdbeeren, Johannisbeeren, Rhabarber, Pfirsichen, Himbeeren, Brombeeren und Preiselbeeren. Nach dem Schälen, Entsteinen, Entstielen und Waschen wurden die Früchte in saubere Gläser gegeben, mit Zucker bestreut und mit abgekochtem Wasser übergossen. Anschließend mussten die Behältnisse verschlossen und bei 80 Grad 20 Minuten lang sterilisiert werden. Mit Ausnahme von Äpfeln, Birnen und Pflaumen konnte aus den oben genannten Fruchtsorten auch Marmelade produziert werden. Luise Klack vermittelte, dass Äpfel, Birnen und Pflaumen „sehr beliebt für Dreimus“ seien. Ebenso schmecke Pflaumen- oder Apfelmus sehr gut. Saft wurde auf dem Lehrbetrieb aus Himbeeren, Johannisbeeren, Erdbeeren, Rhabarber, Brombeeren, Kirschen und Äpfeln gewonnen, Gelee aus Johannisbeeren und Äpfeln.

Nun konnte der Winter kommen. Durch die Vorratshaltung war die Familie Klack für alle Eventualitäten gewappnet: „Wenn wir das Obst und Gemüse einwecken, so haben wir schnell jeder Zeit etwas zur Hand. Dies ist für die Bäuerin auch besonders wichtig, wenn sie es einmal sehr eilig hat und es kommt plötzlich Besuch zum Essen.“ Das Lagern und Haltbarmachen von Obst und Gemüse war jedoch ein enorm arbeitsintensiver Prozess. Die Eheleute Klack konnten sich glücklich schätzen, dass ihnen ihre Lehrlinge dabei zur Seite standen – unter anderem auch Elisabeth Hippe, die mit ihren detaillierten Aufzeichnungen diesen Teil des Alltags zur Mitte der 1940er-Jahre für die Nachwelt festgehalten hat.

 

Quelle: Elisabeth Hippe, Merkbuch. Aus den Lehrjahren des Lehrlings in der ländlichen Hauswirtschaft vom 2. Mai 1944 bis 31. April 1945 in Bockhorst Nr. 16 Post Siedinghausen, im Privatbesitz des Verfassers.