„Mehr zur Sünde als zur Andacht“. Verbot der Osterfeuer im Münsterland vor 300 Jahren

12.04.2022 Niklas Regenbrecht

Osterfeuer im Münsterland, Foto: Andreas Eiynck.

Andreas Eiynck

Seit der Entstehung des Verwaltungsstaates im 16. Jahrhundert sorgte sich die weltliche und kirchliche Obrigkeit mit immer neuen Gesetzen und Verordnungen um das Wohl und das Seelenheil ihrer Untertanen. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Bekämpfung ungezügelter Ausschweifungen des Volkes – oder zumindest dessen, was die Obrigkeit darunter verstand. Ausgelassenes Fastnachtstreiben, maskiert und mit reichlich Alkohol, ausschweifende Schützenfeste, ausufernde Hochzeitsfeiern, Richtfeste und Fensterbiere sowie die sogenannten Gebehochzeiten sind bekannte Bespiele aus dem westfälischen Raum, die seit dem 16. Jahrhundert immer wieder reglementiert und mit Verboten belegt, aber niemals wirklich verhindert werden konnten.

Zu den Bräuchen, denen bis heute das besondere Augenmerk verschiedenster Behörden gilt, zählen die Osterfeuer. Und nicht nur diese Feuer, sondern auch ihre Bekämpfung haben eine lange Tradition.

Im Fürstbistum Münster erließ Landesherr Clemens August von Bayern am 6. Februar 1722, also vor genau 300 Jahren, ein Gesetz zum Verbot der Osterfeuer. Angeblich hatte es aus dem ganzen Münsterland Klagen über das Anzünden von sogenannten „Paesch- oder Oester-Fewern“ am Abend des Ostertages gegeben. Dabei gäbe es, so heißt es im Einleitungstext, stets einen großen „Aufruhr und Zulauf des Volkes“, begleitet von Exzessen, Insolentien (= Ungebührlichkeiten) und mutwilligen Mißbräuchen. In der finsteren Abendzeit und auf offenem Felde werde dabei nicht etwa Andacht gehalten, sondern „allerhand Leckerey“ und „ohnziemliche Außschweifungen“. Kurzum: Aus Sicht der Behörden eskalierte da etwas.

Doch noch weitere Umstände störten die damalige Obrigkeit. Die jungen Leute in Stadt und Land würden einige Tage vor Ostern das Brennmaterial sammeln und wenn die Bürger oder Hausleute keines geben wollten, dann werde es heimlich aus den Büschen geholt, also geraubt und gestohlen.

Daher sei die Bitte an den Landesherrn gegangen, diesem schädlichen Unwesen entgegenzusteuern und die Oberfeuer bei einer festgesetzten Strafe zu verbieten.

Als Begründung wurden zum einen religiöse Aspekte aufgeführt: die Zusammenkünfte am Osterfeuer dienten „mehr zur Sünde als zur Andacht“ und es werde dort „mehr dem Satan als Gott dem Allmächtigen zu Lob und Ehre gefrolocket und gesungen“. Und zur rationalen Begründung wird angegeben, die Osterfeuer seien zu nichts dienlich oder sinnvoll, es würde dabei aber viel Holz und Stroh verbrannt, das man in kalter Winterzeit besser nutzen könne.

Hinzu komme noch die Brandgefahr durch das „Schiessen, so dabey zu geschehen pflegt“, also das Böllerschießen. Und auch durch das Feuer selber könnten bei stürmischem Wetter allerhand Unglück und sogar gefährliche Feuersbrünste entstehen.

Kurzum: Osterfeuer seien zukünftig im ganzen Stift Münster bei Strafe verboten und niemand in „Städten, Flecken, Wiegboldten, Dörfern, Kirchspielen, Bauerschaften oder Gemeinheiten“ (also wirklich nirgendwo!) dürfe so ein Feuer anzünden. Es sei auch verboten, Holz oder andere Materialien für das Feuer zur Verfügung zu stellen, es zu sammeln, es zu geben oder sich daran zu beteiligen. Wo dieses trotzdem geschehe, müssten Beamte, Richter und Gografen es verbieten und eine Strafe verhängen.

Osterfeuer in Lette bei Coesfeld, Foto: Andreas Eiynck.

Sollten an einigen Orten des Münsterlandes bei den Osterfeuern besondere Andachten mit geistlichen Liedern zur Ehre und Auferstehung Christi stattfinden, so hätten die Pfarrer und Seelsorger darauf zu drängen, dass diese zukünftig nicht abends beim Osterfeuer, sondern am Osternachmittag in der Pfarrkirche in würdigem Rahmen stattfänden.

Soweit das Edikt von 1722. Viel bewirkt hat es offenkundig nicht, denn auch die preußischen Behörden mussten im 19. Jahrhundert weiter gegen die Osterfeuer vorgehen und selbst die umfassende Ordnungsbürokratie des 20. Jahrhunderts konnte ihnen kein Ende bereiten. Denn Osterfeuer lodern an vielen Orten im Münsterland am Abend des Ostersonntags auch heute noch.

Die Begründungen haben sich übrigens im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Um die Ehre Christi sind heutige Ordnungsämter nicht mehr bemüht. In den 1960er-Jahren galt ihr Augenmerk bei zunehmender Besiedlung des ländlichen Raumes der Belästigung von Anwohnern durch Qualm und Rauch. In den 70er Jahren machte sich der Umweltschutz bemerkbar, denn nun bekämpfte man das Mitverbrennen von Ölresten, alten Autoreifen und anderem Kunststoffmüll. In den 80er Jahren ging es um den Schutz wertvoller Singvögel im Geäst des Feuerholzes und mittlerweile steht ganz oben die Entstehung von CO2-Gasen durch Osterfeuer. Als wenn das Vogelsterben und der Klimawandel ausgerechnet durch Osterfeuer verursacht würden! – Da müsste man doch konsequenterweise ganz andere Dinge bekämpfen, etwa Pestizide oder Autofahrer.

Auch 2022, 300 Jahre nach dem Osterfeuer-Edikt des Fürstbischofs Clemens August, wiehert zu Ostern der Amtsschimmel im Münsterland. Ein Beispiel: Auf immerhin einer Doppelseite im Gemeindeblatt einer kleinen Kommune im Kreis Borken wird der Problemfall Osterfeuer ausführlich dargelegt und sogar darauf hingewiesen, dass die Osterfeuer „gerade im ländlichen Raum eine lange Tradition“ aufweisen. Aufgeführt werden dann die vielen Gefahren durch solche Feuer für „naheliegende Objekte“ (= Gebäude und Anlagen in der Nachbarschaft), ferner „Klimaschutz- und Umweltaspekte“ wie Feinstaubentwicklung, CO2-Emissionen sowie Gefahren für Kleinstlebewesen und Insekten. Verwiesen wird ferner auf ein neues Verbot der „Verbrennung von Schlagabraum“ (Knüppelholz, Reisig und Wurzelstubben). Dafür gebe es zukünftig einen „erforderlichen Anmeldevordruck“. Großzügigerweise will man „Glaubensgemeinschaften, Vereinen und Organisationen“ aber auch zukünftig unter strengen Auflagen das Abbrennen von Osterfeuern gestatten. Ob die Welt bei so viel Nachsicht noch zu retten ist?

 

Quellen:

Clemens August Schlüter: Provinzialrecht des Fürstentums Münster (= Provinzialrecht der Provinz Westfalen, Bd. 1). Leipzig 1829, S. 194-195.

Heimat- und Rathausspiegel Heek und Nienborg 65, 2021, S. 53-54.

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Schlagworte: Andreas Eiynck · Brauch