Das Brennholz war knapp und die Menschen froren zur Winterzeit. Da entdeckten findige Leute einen anderen Brennstoff: Torf
Christoph Mörstedt
Johann Moritz Schwager war begeistert. Der Pastor aus Jöllenbeck hatte das Hücker Moor entdeckt. Ihn interessierte dabei aber nicht die Landschaft in ihrer Lieblichkeit, sondern ein Stoff, der gut brannte und mit dem sich im Winter die Häuser heizen ließen. Und Geld verdienen konnte man damit auch noch: Der Torf aus dem Moor hatte es ihm angetan.
In Halle und Jena hatte der Theologe studiert und war in Deutschland und den Niederlanden herumgekommen. Er kümmerte sich nicht nur um das Seelenheil seiner Gemeindeglieder in Jöllenbeck, sondern interessierte sich lebhaft für die tatsächlichen Lebensumstände der Menschen. Als Mann der Aufklärung wollte er sie verbessern und schrieb deshalb fleißig viele seiner Reisebeobachtungen auf. 1783 erschien seine Schilderung über das Moor bei Spenge in den „Wöchentlichen Mindenschen Anzeigen“, weshalb wir so ungefähr wissen, wie es am Hücker Moor vor 240 Jahren ausgesehen hat.
Ein Unternehmer namens Harting war zur Tat geschritten. Er hatte zwei Lipper engagiert, die schon öfter im Sommerhalbjahr in Holland Torf gestochen hatten und wussten, wie man so etwas macht. Mit der Hilfe von sieben weiteren Arbeitern hatten sie zwei Meter tiefe Gräben im Moor angelegt, um das Wasser in Richtung Else abzuleiten. Danach ließ sich der Torf stechen und trocknen. Schon im zweiten Jahr holten sie 700 Wagenladungen Torf aus dem Moor und verkauften ihn zum Teil ins Osnabrückische – was allein der Zollkasse an der Landesgrenze zwischen 6 und 7 Taler Einnahme brachte (Wen es interessiert: Ein Taler entsprach 24 Gutegroschen à 12 Pfennig). Die Lipper prüften die Mächtigkeit der Torfschichten: Bis in 7,50 Meter Tiefe fanden sie Torf „von vortrefflicher Güte“, wie der begeisterte Pastor in seinem Bericht festhielt. Und er malte sich aus, wieviel Torf noch abzubauen wäre, wenn die Leute nur endlich richtig zufassen würden.
Das hatten sie lange überhaupt nicht getan. Das Moor gehörte ursprünglich zur „Gemeinheit“, dem gemeinschaftlich genutzten Teil der Landschaft, in dem das Vieh der großen wie der kleinen Bauern frei herumlief. Mit dem Moor konnte niemand etwas anfangen, es gehörte allen, also irgendwie niemandem. Pastor Schwager sprach sogar von dem „verhaßten Sumpf“, in dem das Vieh versank, wenn es sich zu weit hinein gewagt hatte – „ohne Rettung verlohren“.
Nun aber waren die Gemeinheiten im Zuge einer großen Agrarreform geteilt worden. Auch das Moor hatte der Vermesser Siekendyker aus Versmold vermessen und schon auf den Rohstoff Torf hingewiesen. Das Moor war jetzt Privateigentum und gehörte bestimmten Bauern. Bis der Herr Harting die Initiative wirklich ergriff und einem Bauern das Recht zum Torfstich abkaufte, vergingen noch zehn Jahre. Aber dann: „Nährendes, gutes Gras und vortrefflicher wilder Klee“ würden einst hier wachsen können, wenn erst dieses bisher so nutzlose Moor aus der Landschaft verschwunden sein würde. Schwager sparte nicht mit Lob für den „Wohlthäter seines Vaterlandes, den unsere Nachkommen für seinen Muth noch segnen müssen.“
Schon lange ist der Torf abgebaut und verbrannt, die Delle in der Landschaft mit Regenwasser vollgelaufen und das beliebteste Ausflugsziel weit und breit geworden. Torf abzubauen, verbietet sich heute, weil wir wissen, wieviel CO2 darin gespeichert ist. In der Atmosphäre können wir das Gas nicht gebrauchen, weil uns sonst das Klima um die Ohren fliegt. Das konnte Johann Moritz Schwager nicht wissen. Denn als das Hücker Moor noch ein Moor war, sah die Welt noch ganz anders aus.
Zuerst erschienen in: HF-Magazin. Heimatkundliche Beiträge aus dem Kreis Herford, Nr. 125, 14.06.2023, herausgegeben von der Neuen Westfälischen.