„ohne eintzige Gnade mit dem Strang vom Leben zum Tode gebracht werden sollen.“

25.11.2022 Peter Herschlein

B. Ernst August I. Verordnung wegen der Pferdediebereyen, v. J. 1687.

Warum Pferdediebe in der Vormoderne besonders hart bestraft wurden

Christof Spannhoff

Anfang des Jahres 1687 erließ der Osnabrücker Bischof Ernst August I. aus dem herzoglichen Haus Braunschweig-Lüneburg (1629–1698, Bischof seit 1662) eine „Verordnung wegen der Pferdediebereyen“. Der Titel liest sich aus heutiger Perspektive recht unspektakulär, aber das Gesetz hatte es in sich – selbst für damalige Verhältnisse. Während viele Vergehen, auch Kapitalverbrechen, in der damaligen Zeit durch hohe Geldbußen aus der Welt geschafft werden konnten, sollte für den Diebstahl von Pferden von nun an die Todesstrafe verhängt werden – ohne Ansehen der Person. Alle, die künftig Pferde von Feldern, Weiden und Wiesen oder sogar aus Häusern und Ställen stahlen und des Tatbestandes überführt wurden, sollten durch den „Strang vom Leben zum Tode“ gebracht werden; unabhängig davon, ob es sich um auswärtige oder einheimische Täter handelte, ob der Diebstahl einmal oder mehrmals verübt wurde oder welchen Wert bzw. welches Alter das gestohlene Tier hatte. Nicht nur der Dieb selbst, sondern auch seine Helfershelfer, die Wache standen oder den Hin- und Rückweg zu organisieren halfen, verwirkten laut Edikt ihr Leben.

B. Ernst August I. Verordnung wegen der Pferdediebereyen, v. J. 1687.

Allerdings wurde nicht nur die Strafe erhöht, darüber hinaus sollten die Strukturen verändert werden, die den Pferdediebstahl lukrativ machten. Und zwar beabsichtigte man, den Verkauf der gestohlenen Tiere zu erschweren. Die Region war durch viele kleinere Territorien wie das Fürstbistum Osnabrück geprägt. Von keinem Ort im Osnabrückischen war die Landesgrenze weiter als 15 bis 20 km entfernt. Gestohlene Pferde konnten also schnell außer Landes gebracht werden. Daher wies der Fürstbischof seine Beamten an, ab sofort Pässe für auswärtige Pferdehändler in den Grenzorten auszustellen, in die die mitgeführten Pferde eingetragen werden sollten, sodass der rechtmäßige Händler durch Vorlage der Papiere bei den Zollstätten oder unterwegs vom Dieb zu unterscheiden war.

Als Begründung für diese drakonische Maßnahme wird eine gestiegene Häufigkeit des Delikts angeführt. Das ist allerdings ein vielfach vorgebrachtes Motiv und muss nicht unbedingt den realen Verhältnissen entsprochen haben. Das strenge Edikt gibt aber einen wichtigen Hinweis auf den Stellenwert, den das Pferd in der frühneuzeitlichen Gesellschaft besaß. Abgesehen vom adligen Zeitvertreib des Reitens oder der Parforcejagd stellten Equiden den wichtigsten Motor für Militär, Gewerbe und Landwirtschaft dar. Gerade die Bauern benötigten die Pferdestärken zur Bestellung der Äcker und Felder, sie trieben Rossmühlen an und transportierten Güter zu den Märkten in die Städte. Die Pferde waren also elementar für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Diese Ernährung sicherstellen zu wollen, gebot dem Bischof seine landesfürstliche Macht und Fürsorge. Doch nicht nur auf den eigenen Feldern der Landleute kamen Pferde zum Einsatz. Im Text des Ediktes wird auch ausdrücklich auf die Spanndienste der Bauern bei ihren Grundherren hingewiesen. Diesen könne ohne Pferde nicht mehr nachgekommen werden. Der Pferdediebstahl traf also neben den Bauern in ökonomischer Hinsicht ebenso den landsässigen Adel. Das Delikt brachte somit nicht nur wirtschaftliche Probleme mit sich, sondern in gewisser Hinsicht auch die geltende Herrschaftsordnung ins Wanken.     

B. Ernst August I. Verordnung wegen der Pferdediebereyen, v. J. 1687

Die Wichtigkeit des Edikts zeigt sich ferner daran, dass es einerseits an den üblichen Orten wie von den Kanzeln verlesen, andererseits der Soldateska bekannt gemacht werden sollte. Beamten und Räten wurde eingeschärft, Pferdediebstählen unbedingt nachzugehen und diese unnachgiebig zu ahnden. 1720 musste das Edikt erneuert werden, 1751 wurde es in seiner Strenge aufgehoben, aber 1768 im exakten Wortlaut von 1687 wieder in Kraft gesetzt.

Ob die Todesstrafe aber auch konsequent umgesetzt wurde, steht auf einem anderen Blatt. Denn im osnabrückischen Amt Iburg kommen nach 1687 nur zwei Hinrichtungen von Pferdedieben vor: 1719 Matthias Kohmöller aus Hilter (Kuh- und Pferdedieb), 1729 Johan Walke aus Remsede (Pferdediebstahl), die beide gehängt wurden. Insgesamt beförderten die Scharfrichter seit dem Stichjahr 1687 bis 1817 29 Menschen auf dem Richtplatz Stalbrink (bei Oesede) vom Leben zum Tode, im Gegensatz zu den gut 150 Personen, die in den 130 Jahren zwischen 1557 und 1687 ihr Leben lassen mussten. Die Todesstrafe wurde also insgesamt im 18. Jahrhundert nicht mehr so oft vollstreckt – auch nicht an Pferdedieben.

Quellen

Justus Friedrich August Lodtmann, Codex Constitutionum Osnabrugensium oder Sammlung von Verordnungen, gemeinen Bescheiden, Rescripten und anderen erläuterenden Verfügungen, welche das Hochstift Osnabrück betreffen, Teil 1, Bd. 2, Osnabrück 1783, S. 1438–1442.

Johann Aegidius Klöntrup, Alphabetisches Handbuch der besondern Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück mit Rücksicht auf die benachbarten westfälischen Provinzen, Bd. 1: A–E, Osnabrück 1798, Lemma „Diebstahl“, S. 254–260, § 18–22 (S. 258–260).

Rainer Rottmann, Tod am Stalbrink. Vollzug der Todesstrafe im Amt Iburg 1500 bis 1817. Ein Beitrag zur Justizgeschichte des Osnabrücker Landes, Hagen am Teutoburger Wald 2021.