Annina Hofferberth
„Es ist so öde, so leer in mir. Was ist es nur, daß ich mich garnicht mehr von Herzen freuen kann über all das Gute und Schöne, das ich jeden Tag von neuem aus deiner Hand, o Gott empfange.“ So seufzte Elisabeth Anna Niggemann in ihr Tagebuch. Dieser erste Eintrag stammt vom 27. November 1927. Schon aus den ersten Zeilen spricht der Eindruck großer Traurigkeit, der sich mit der Lektüre der weiteren Einträge vertieft.
Beim Lesen des Tagesbuchs von Elisabeth Niggemann zeigt sich einer der Fallstricke im Umgang mit dieser Quellengattung: Die schreibende Person wusste über das eigene Leben Bescheid, Erklärungen zu Kontexten, zu Personen und Orten entfallen damit. Das war auch bei Elisabeth Niggemann der Fall: Sie benutzte das Tagebuch als Spiegel ihrer verworrenen Gefühlswelt und als Werkzeug, sich über diese klarer zu werden. Strukturelle Ursachen für die Zielkonflikte, unter denen sie offenbar litt, bleiben in dem Geschriebenen aber unerwähnt. Manche Einträge wie der am 10. Januar 1928 sind deshalb rätselhaft: „[…] deine Worte von gestern abend haben meine Seele ganz in Aufruhr gebracht, mir unsere Wiedersehensfreude vergällt. Ach, und ich hatte mir alles so schön vorgestellt. Ich hatte mich auf unsere gemeinsamen Stunden so recht gefreut. Nun diese unerwartete Frage. Nur dich habe ich bisher geliebt. Rein bin ich zu dir gekommen. Und nur du allein darfst mich ganz, ganz haben.“ Welche Frage es denn war, die ihr die Wiedersehensfreude nahm, schreibt sie nicht direkt. Doch Kontext und Wortwahl lassen das Thema vorehelicher Intimität vermuten.