Christiane Cantauw
Kann man Stille sehen? In einer aktuellen Ausstellung im Stadtmuseum Münster mit Fotografien von Ralf Emmerich ist diese Frage im Wortsinn zentral, steht eine Serie zum Thema Stille doch im Mittelpunkt der Schau, die einen Einblick in das Œuvre des Fotografen bietet. Emmerich nähert sich der Frage nicht nur auf fotografischem Wege, sondern auch in Textform, indem er zentrale Fragen der Fototheorie nach der Phänomenologie von Fotografien aufgreift. In Anlehnung an Roland Barthes, den er aber nicht explizit nennt, fragt Emmerich nach dem Nachhall von Fotografien, deren Eigenart es ist, das zu zeigen, was im Moment der Aufnahme bereits unwiederbringlich vergangen ist.
Kann es einem Medium wie der Fotografie gelingen, das Unsagbare zu zeigen? Im Zentrum der Ausstellung ist das Museumspublikum eingeladen, Ausschnitt- und Schattenhaftes solange in sich nachhallen zu lassen, bis Stille eintritt. Das funktioniert und liefert sogar Zugänge zu den Fotografien, die sich an der Peripherie der Ausstellung befinden: Portraits von Menschen aus vielen Ländern, Bilder von Horizonten in der Bretagne oder auf Rügen.
Die Nahaufnahmen von vielen Menschen, denen Emmerich auf seinen Reisen begegnet(e), zeigen jedenfalls ein Sich-aufeinander-einlassen, das im Interesse füreinander gründet. Vor und hinter der Kamera wird hier menschliche Nähe gesucht und Stille zugelassen. Begründet liegt dies zum einen in einem tiefgehenden Interesse des Fotografen für die Menschen, die er überall auf der Welt traf, zum anderen auch in einem geduldigen Beziehungsaufbau, der einen Gegensatz zur Schnelligkeit seines Mediums bildet.