Christiane Cantauw
Reisefotografien gehören zu den am häufigsten überlieferten fotografischen Quellen. Sie machten im 20. Jahrhundert mehr als die Hälfte aller privaten Aufnahmen aus.
Speziell die Zeit des aufkommenden Massentourismus seit den 1950er Jahren schlug sich auch in den überlieferten Fotografien und Reisefotoalben nieder. Als Hochzeit der Reisealben kann die Zeit zwischen 1950 und 1975 bezeichnet werden. In dieser Periode trafen sich die enorme Reiselust, die Ausstattung der meisten deutschen Haushalte mit einem Fotoapparat und die Praxis, das Fotografierte zu ordnen, zu beschriften und in Alben einzukleben.
Trotz oder vielleicht auch wegen ihrer massenhaften Verbreitung und Überlieferung sind Reisefotoalben keine leicht zu erschließende historische Quelle. Informationen über ihre Entstehung (Wer hat fotografiert? Wer hat das jeweilige Album erstellt? In welchem zeitlichen Abstand zur Reise? Wurden nur eigene oder auch fremde Fotografien verwendet? …) und Nutzung (Für wen wurde das Album angelegt? Wer hat es sich wie oft angesehen? Wo wurde es aufbewahrt? …) sind vielfach nicht überliefert. Auch über die Besitzer:innen der Reisefotoalben ist vielfach nichts bekannt.
Zumindest die Frage nach den Eigentümer:innen kann im Falle der 15 Alben, die das Archiv für Alltagskultur 2023 übernommen hat, beantwortet werden. Sie gehörten den Schwestern Erna und Elisabeth W. aus Geseke. Vater der 1928 und 1929 geborenen Schwestern war ein Schuhmacher und Schuhgeschäftsbetreiber. Die einander eng verbundenen Mädchen verlebten nach eigenen Aussagen eine glückliche Kindheit in Geseke. Nach ihrer Ausbildung arbeitete Elisabeth von 1959 bis 1985 als Sportlehrerin am Geseker Gymnasium Antonianum. Erna ergriff den Beruf einer Sparkassenangestellten. Sie leitete von 1960 bis 1989 eine Filiale der Sparkasse in Ehringhausen. Beide Schwestern blieben unverheiratet. Sie reisten oft und gern und konnten sich das auch finanziell leisten.