Emil Schoppmann
Die historisch gewachsene Sammlung des Drilandmuseums ist typisch für viele Heimatmuseen, welche um die Wende zum 20. Jahrhundert auf Initiative von engagierten Bürgern oder lokalen Geschichtsvereinen gegründet wurden. In Gronau eröffneten Kunst- und Heimatfreunde am 28. Juli 1912 in einem Raum der städtischen Badeanstalt ein neues Museum, dessen Aussehen einer Art „Raritätenkabinett“ glich. Ausgestellt wurden als besonders erachtete oder einfach kuriose Zeugnisse der Kunst-, Kultur- und Naturgeschichte. Die einzelnen Vitrinen enthielten unter anderem archäologische Funde, religiöses Kultgerät, Waffen, geologische oder exotische Exponate. Aus einem nostalgisch gefärbten Blickwinkel sollte die Schausammlung bei den Gronauer Bürgerinnen und Bürgern das Bewusstsein für die eigene Vergangenheit wecken.
Weil eine Sammlung mit Gegenständen zur Stadtgeschichte bis zur Eröffnung nicht vorhanden war, spendete der Textilfabrikant und Senator Hendrik van Delden der Stadt eine von ihm erworbene Privatsammlung. Dass ein Großteil der Exponate dabei gar nicht aus Gronau selbst stammte, blieb weitgehend unbeachtet. Vielmehr legte van Delden mit seiner Spende den Grundstock der Museumssammlung. Private Schenkungen ergänzten den Bestand. Vor allem die städtischen Lehrkräfte steuerten gefundene oder ausgegrabene Stücke bei und waren fortan für die kuratorische Betreuung der Sammlung zuständig.
Da weder eine vollständige Kartei noch ein Eingangsbuch angelegt wurden, ist die Herkunft vieler heute noch vorhandener Museumsobjekte nicht gesichert und lässt sich nur schwer nachvollziehen. Darüber hinaus hat die von zahlreichen Umzügen geprägte Museumsgeschichte zu erheblichen Sammlungsverlusten geführt. Während des Ersten Weltkrieges musste das Museum in der Badeanstalt einem Lazarett weichen. Die Museumsexponate wurden in den Räumen der entweihten, alten reformierten Kirche untergebracht. Erst 1931 fand dort die Neueröffnung des Museums statt. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Objekte in der Evangelischen Kirche sowie in der Schiller- und der Wilhelmschule provisorisch und kaum betreut eingelagert. Umzug und Lagerung auf dem Dachboden der Ludgerusschule führten in den 1960er Jahren zu weiteren Schäden. Diesem Umstand war es wohl auch geschuldet, dass etwa 135 Objekte, darunter vor allem wertvollere Stücke wie Schmuck, Uhren und Zinn, entwendet werden konnten.
Im Zuge der Verzeichnung und Dokumentation von über 1.000 Objekten durch das Büro für Geschichte & historische Kommunikation in Münster konnte ein Teil der Gründungssammlung rekonstruiert werden. Einzelne Gegenstände trugen aufgeklebte, quadratische Papieretiketten mit einem runden Besitzstempel, der auf einen gewissen Wilhelm Kleine-Ringelstein als Vorbesitzer verweist. Wilhelm Kleine wurde am 13. Oktober 1869 geboren und entstammte einer bedeutenden Lippstädter Kaufmannsfamilie. Bereits im Alter von 25 Jahren übernahm er 1894 in Harth bei Büren die Leitung einer Drahtstiftefabrik mit knapp 100 Arbeitern. Wilhelm Kleine war als leidenschaftlicher Sammler und Burgenromantiker bekannt. Im Jahr 1898 erwarb er das Areal der Burgruine auf dem bei Harth gelegenen Ringelstein und ließ das Grundstück nach seinen persönlichen Vorstellungen baulich umgestalten. Es entstand eine idyllisch anmutende Parklandschaft mit imposantem Ausblick. Ein Teil der bei den Erdarbeiten gemachten archäologischen Funde hat sich im Bestand des Drilandmuseums erhalten. Überwiegend handelt es sich um neuzeitliches Fundmaterial, das in der Burgruine, 1898 bei Erdarbeiten an den Fabrikgebäuden oder im Jahr 1902 in der Geseker Kanalisation geborgen worden war. Darüber hinaus war Kleine Mitglied der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft und im Altertumsverein der Stadt Lippstadt aktiv. Am 29. März 1912 trat er aus der Unternehmensführung der Drahtstiftefabrik aus und übertrug die Geschäfte seinem zehn Jahre jüngeren Bruder Paul Kleine. Nachdem Kleine auch das in seinem Besitz befindliche Gut Nomekenhof verkauft hatte, zog es ihn 1917 mit seiner Frau nach Dresden, wo er am 9. April 1934 starb.