Sammelleidenschaft und Mäzenatentum. Zur Sammlung Wilhelm Kleine im Drilandmuseum Gronau i. W.

05.10.2021 Dorothee Jahnke

Die Sammlung betreute bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1932 Professor Herrmann Quantz, ein am Gymnasium lehrender Naturkundler und Universalgelehrter der Kaiserzeit. Quelle: Stadtarchiv Gronau

Emil Schoppmann

Die historisch gewachsene Sammlung des Drilandmuseums ist typisch für viele Heimatmuseen, welche um die Wende zum 20. Jahrhundert auf Initiative von engagierten Bürgern oder lokalen Geschichtsvereinen gegründet wurden. In Gronau eröffneten Kunst- und Heimatfreunde am 28. Juli 1912 in einem Raum der städtischen Badeanstalt ein neues Museum, dessen Aussehen einer Art „Raritätenkabinett“ glich. Ausgestellt wurden als besonders erachtete oder einfach kuriose Zeugnisse der Kunst-, Kultur- und Naturgeschichte. Die einzelnen Vitrinen enthielten unter anderem archäologische Funde, religiöses Kultgerät, Waffen, geologische oder exotische Exponate. Aus einem nostalgisch gefärbten Blickwinkel sollte die Schausammlung bei den Gronauer Bürgerinnen und Bürgern das Bewusstsein für die eigene Vergangenheit wecken.

Weil eine Sammlung mit Gegenständen zur Stadtgeschichte bis zur Eröffnung nicht vorhanden war, spendete der Textilfabrikant und Senator Hendrik van Delden der Stadt eine von ihm erworbene Privatsammlung. Dass ein Großteil der Exponate dabei gar nicht aus Gronau selbst stammte, blieb weitgehend unbeachtet. Vielmehr legte van Delden mit seiner Spende den Grundstock der Museumssammlung. Private Schenkungen ergänzten den Bestand. Vor allem die städtischen Lehrkräfte steuerten gefundene oder ausgegrabene Stücke bei und waren fortan für die kuratorische Betreuung der Sammlung zuständig.  

Da weder eine vollständige Kartei noch ein Eingangsbuch angelegt wurden, ist die Herkunft vieler heute noch vorhandener Museumsobjekte nicht gesichert und lässt sich nur schwer nachvollziehen. Darüber hinaus hat die von zahlreichen Umzügen geprägte Museumsgeschichte zu erheblichen Sammlungsverlusten geführt. Während des Ersten Weltkrieges musste das Museum in der Badeanstalt einem Lazarett weichen. Die Museumsexponate wurden in den Räumen der entweihten, alten reformierten Kirche untergebracht. Erst 1931 fand dort die Neueröffnung des Museums statt. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Objekte in der Evangelischen Kirche sowie in der Schiller- und der Wilhelmschule provisorisch und kaum betreut eingelagert. Umzug und Lagerung auf dem Dachboden der Ludgerusschule führten in den 1960er Jahren zu weiteren Schäden. Diesem Umstand war es wohl auch geschuldet, dass etwa 135 Objekte, darunter vor allem wertvollere Stücke wie Schmuck, Uhren und Zinn, entwendet werden konnten.

Im Zuge der Verzeichnung und Dokumentation von über 1.000 Objekten durch das Büro für Geschichte & historische Kommunikation in Münster konnte ein Teil der Gründungssammlung rekonstruiert werden. Einzelne Gegenstände trugen aufgeklebte, quadratische Papieretiketten mit einem runden Besitzstempel, der auf einen gewissen Wilhelm Kleine-Ringelstein als Vorbesitzer verweist. Wilhelm Kleine wurde am 13. Oktober 1869 geboren und entstammte einer bedeutenden Lippstädter Kaufmannsfamilie. Bereits im Alter von 25 Jahren übernahm er 1894 in Harth bei Büren die Leitung einer Drahtstiftefabrik mit knapp 100 Arbeitern. Wilhelm Kleine war als leidenschaftlicher Sammler und Burgenromantiker bekannt. Im Jahr 1898 erwarb er das Areal der Burgruine auf dem bei Harth gelegenen Ringelstein und ließ das Grundstück nach seinen persönlichen Vorstellungen baulich umgestalten. Es entstand eine idyllisch anmutende Parklandschaft mit imposantem Ausblick. Ein Teil der bei den Erdarbeiten gemachten archäologischen Funde hat sich im Bestand des Drilandmuseums erhalten. Überwiegend handelt es sich um neuzeitliches Fundmaterial, das in der Burgruine, 1898 bei Erdarbeiten an den Fabrikgebäuden oder im Jahr 1902 in der Geseker Kanalisation geborgen worden war. Darüber hinaus war Kleine Mitglied der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft und im Altertumsverein der Stadt Lippstadt aktiv. Am 29. März 1912 trat er aus der Unternehmensführung der Drahtstiftefabrik aus und übertrug die Geschäfte seinem zehn Jahre jüngeren Bruder Paul Kleine. Nachdem Kleine auch das in seinem Besitz befindliche Gut Nomekenhof verkauft hatte, zog es ihn 1917 mit seiner Frau nach Dresden, wo er am 9. April 1934 starb.

Vorhandene Altsignaturen lassen vermuten, dass die nach Gronau gelangte Sammlung einst aus über 300 Objekten bestanden haben muss. Diese stammten vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert und umfassten Gemälde, bürgerliches Interieur, archäologische Funde, aber auch kunsthandwerkliche Alltagsgegenstände, darunter Porzellan, Münzwaagen oder Messgewänder. Wilhelm Kleine sammelte, was ihm gefiel. Auf welche Weise er in den Besitz der Objekte kam, lässt sich nur vermuten. Als Fabrikant besaß er die finanziellen Mittel und das historische Interesse, um ein breites Spektrum an Artefakten und Kunstgegenständen zusammenzutragen. So kam offenbar auch ein Nachlass der Adelsfamilie von Ledebur-Wicheln auf Haus Düsse bei Oestinghausen in seinen Besitz. Neben einem Pfeifenkopf des Jurastudenten Carl von Ledebur, haben sich darunter auch sechs Aquarelle aus der Hand Clemens August Freiherr von Ledeburs erhalten, die an eine Pragreise zu Beginn des Jahres 1802 erinnern.

Zur Sammlung Wilhelm Kleine lassen sich ferner einige der im Bestand vorhandenen archäologischen Objekte zuordnen. Wie der zur Museumseröffnung erschienene Zeitungsbericht ausführt, waren die damals gezeigten fränkischen Urnen kölnischen Ursprungs. Von einer Ausgrabung am Hahnentor stammte eine Reihe von nahezu vollständig erhaltenen römischen Gefäßen aus dem 3. - 4. Jahrhundert n. Chr. sowie zwei Gewandfibeln. Das mittelalterliche Hahnentor war eines der ursprünglich zwölf Tore der Kölner Stadtbefestigung und wurde um 1200 über der westlichen Ausfahrstraße (Via Belgica) inmitten des römischen Suburbiums errichtet.

Zahlreiche der im Drilandmuseum befindlichen Exponate, die nun online auf dem Internetportal "museum-digital" einsehbar sind, wären im Rahmen eines wissenschaftlich strukturierten Sammlungsaufbaus vielleicht nicht oder nicht in dieser Vollständigkeit in ein Museum gelangt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich der Umgang mit der Sammlung Kleine im Verlauf der weiteren Museumsarbeit teils problematisch gestaltete: Einzelne Objekte wurden bis in die jüngste Zeit unreflektiert oder aus Unkenntnis als Teil der Gronauer Stadtgeschichte präsentiert. Andere Stücke kamen als Ausstellungsexponate nicht infrage und blieben dadurch mehr oder weniger unbeachtet.

Bereits bei der Überarbeitung der Bestände zur Neueröffnung des Museums stießen die damaligen Verantwortlichen im Jahr 1987 auf eine Mappe mit der Aufschrift: „Urkunden aus Paderborn und der Umgebung von Lippstadt“. Sie enthielt 30 Archivalien, die bis in das 15. Jahrhundert zurückreichten. Da diese Archivbestände für Gronau keinen historischen Wert besaßen, wurden sie in Zusammenarbeit mit dem Westfälischen Archivamt Münster an die Gemeinden und Städte Rüthen, Geseke, Gütersloh, Paderborn, Hinnenberg und Schmallenberg übergeben.

Diese Holztafel mit dem Wappen des Klosters Liesborn war einst an einem Freihaus angebracht. Quelle: Emil Schoppmann

Auch im Rahmen der aktuellen Sammlungsrevision kam es zu so manchem „Überraschungsfund“. Ein barockes Türschloss und eine Wappentafel konnten mit dem ehemaligen Kloster Liesborn bei Wadersloh in Zusammenhang gebracht werden. Die von 1772 datierte Wappentafel stammt aus der Amtszeit des vorletzten Klosterabtes Ludgerus Zurstrassen. Wie die Inschrift besagt, diente die Tafel zur Kennzeichnung eines „zwischen den Bachen“ gelegenen Freihauses, das von den klösterlichen Abgaben befreit war. Beide Objekte konnten im März 2021 dem Museum Abtei Liesborn zur Verfügung gestellt werden, wo sie als Bestandteil der neukonzipierten Dauerausstellung zukünftig die bewegte Klostergeschichte veranschaulichen.

 

Weiterführende Literatur:

Johannes Voermanek: Ringelstein im Kreis Büren, Büren 1910.
Dieter Olmesdahl: Zur Geschichte der Familie Kleine, 1. Teil, in: Heimatblätter. Beilage zum „Patriot“ und zur Geseker Zeitung, 100. Jg. / Folge 4, Lippstadt 2020, S. 109f.
Stephan Berke: Römische Gefäße aus dem Drielandmuseum Gronau, in: "Boreas. Münstersche Beiträge zur Archäologie", Nr.6, Münster 1983, S. 284290.

Übersicht über einige Objekte aus der Sammlung Kleine-Ringelstein auf der Plattform museumdigital. Quelle: Emil Schoppmann.

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