Richard Schluckebiers Karten fallen auf, denn sie sind bunt wie ein Schulmalkasten. Sie lagern verstreut in Ostwestfalen und verraten viel über die Geschichte der Region

08.04.2022 Niklas Regenbrecht

Die „Heimatkundliche Schulkarte der Bauerschaft Eickum nach dem Urkataster vom Jahre 1826“ hat Richard Schluckebier im Auftrag der Schule 1948 erstellt. Foto: Sarah Brünger.

Sarah Brünger

Das war alles nicht geplant, denn eigentlich hatte Richard Schluckebier (1885-1962), den Beruf des Architekten ergriffen. Aus dem ersten Weltkrieg kehrte er jedoch als Invalide zurück und war unfähig, seinen alten Beruf weiter auszuüben. Er fand eine andere Art der Beschäftigung, wie aus zwei im Kommunalarchiv Herford aufbewahrten Akten mit Korrespondenzen Schluckebiers hervorgeht. Über die Auseinandersetzung mit der Familienforschung kam er ab 1939 zur Geographie und Landesgeschichte Minden-Ravensbergs. Besonders das Urkataster weckte seine Aufmerksamkeit. Dabei handelt es sich um Unterlagen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts angefertigt wurden. Sie enthalten Informationen zur Kulturlandschaft und Besitzverhältnissen, Siedlungsgrenzen, Marken- und Flurnamen. Richard Schluckebier sah in ihnen einen großen Wert für die Lokalgeschichtsforschung und den Heimatkundeunterricht. Er begann das Kartenmaterial zu kopieren und später auch aufzubereiten. Besonders bekannt ist Schluckebier heute für seine farbenfrohen Hof- und Besitzkarten, auf denen er die Grundstücke farblich nach den Landeigentümern markiert koloriert hat. Zunächst fertigte er diese im Wesentlichen kostenfrei für Interessierte an. Nachdem aber seine Invalidenrente 1944 um 50% gekürzt wurde, baute er sich in Gohfeld mit der Bearbeitung der Urkatasterkarten eine neue Existenz auf, beschäftigte zeitweilig sogar Angestellte. Er verkaufte seine Karten insbesondere an Verwaltungen, Schulen und Heimatvereine im nördlichen Ostwestfalen.

Dabei stand er in regelmäßigem Kontakt zu Dr. Hans Riepenhausen, dem Leiter des Provinzialinstituts für westfälische Volks- und Landeskunde (heute LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte), der auch im westfälischen Heimatbund engagiert war. Anhand der von Richard Schluckebier angefertigten Karten hielt Dr. Riepenhausen Vorträge und unterstrich dabei die Bedeutung seiner zeichnerischen Tätigkeit. Auch Richard Schluckebier selbst referierte vor Heimatforschern, Lehrern und Verwaltungsmitarbeitern, um seine Arbeiten bekannt zu machen.

Ein weiterer wichtiger Kontakt war Prof. Dr. Wilhelm Müller-Wille, zunächst tätig in Göttingen, später Direktor des geographischen Instituts in Münster, bei dem Richard Schluckebier 1944 persönlich vorsprach. „Exakt und wissenschaftlich einwandfrei“, war dessen Urteil zu Richard Schluckebiers Karten.

Reich wurde Richard Schluckebier mit seiner Arbeit dennoch nicht. Immer wieder bat er seine Unterstützer um Fürsprache bei Behörden, um Aufträge und Fördermittel zu erhalten. Obwohl seine Arbeit grundsätzlich gefragt war, brachten die überall leeren Kassen der Nachkriegszeit Zahlungen zum Stocken und die Materialknappheit behinderte die Arbeit zusätzlich.   

Dennoch fand er immer wieder Mittel und Wege, sodass seine Karten heute Regale und Schubladen in Archivmagazinen und Museumsdepots füllen. Ein Register zu den Lagerorten der erhaltenen Hof- und Besitzkarten wird aktuell von der AG Familienforschung im Kreis Herford erstellt und wird in nächster Zeit auf der Website https://hf-gen.de erscheinen.

 

Zuerst erschienen in: HF-Magazin. Heimatkundliche Beiträge aus dem Kreis Herford, Nr. 120, 16.03.2022, herausgegeben von der Neuen Westfälischen.

Link: https://www.kreisheimatverein.de/wissen/hf-magazin/

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Schlagwort: Sarah Brünger