„Schockolade zu machen"

27.08.2019

„Schockolade zu machen“: Rezept Nummer 19 behandelt die Verarbeitung von der rohen Kakaobohne bis zu einer Art gewürzter Schokoladenrohmasse. (Foto: Christiane Cantauw)

„Schockolade zu machen“

Ein Schokoladenrezept aus dem Jahr 1788

Dorothee Jahnke

„Kochbuch: Starker Pappeinband, marmoriert schwarz-braun. Handschriftlich, 69 und 14 Rezepte jeweils durchnummeriert, 1788.  Maße: 20,7 x 16,5 cm.“

Hinter dieser knappen Angabe im Findbuch zur Inventarnummer K 2478 verbirgt sich das älteste Kochbuch im Besitz der Volkskundlichen Kommission für Westfalen. Es wurde 1954 bei Schöningh in Osnabrück erworben. Mehr ist nicht bekannt – Provenienz und VorbesitzerInnen bleiben im Dunkeln. Auch die Datierung auf 1788 konnte nur anhand der Angabe auf dem Titelblatt erfolgen.

Variationen im Schriftbild deuten auf mehrere RezepteschreiberInnen hin. Einige Seiten in der Mitte wurden bewusst freigelassen; darauf weist die erneut bei „1.“ beginnende Nummerierung im zweiten Teil hin. Dass es sich tatsächlich um ein ‚Gebrauchs-Kochbuch‘ gehandelt hat, zeigen Benutzungsspuren, Flecken und verschmierte Seiten.

Nummer 19, eine Anleitung um „Schockolade zu machen“, sticht aus der Masse ‚gewöhnlicher‘ oder alltäglicher Rezepte hervor. Behandelt wird die Herstellung eines Luxusprodukts, der Schokolade, beginnend mit der ‚rohen‘ Kakaobohne. Und das in einer heimischen Küche des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

Zu jenem Zeitpunkt bedeutete ‚Schokolade‘ noch nicht das, was heute darunter verstanden wird: Statt Tafeln, Riegeln und Pralinen zum Verzehr handelte es sich um Trinkschokolade, die mit Milch, Wasser oder einer Mischung aus beidem zubereitet wurde. Sie war ein teures Genussmittel. Wirkliche Ess-Schokolade gibt es erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Verbreitung von Kakao und Schokolade als Massen-Genussmittel begann einige Jahrzehnte danach.

Nur durch die Angabe auf dem Titelblatt kann das Kochbuch auf 1788 datiert werden. Rechts unten wurde ein Teil der Seite herausgeschnitten, bevor das Buch in den Besitz der VoKo gekommen ist. (Foto: Dorothee Jahnke)

Das Rezept Nummer 19 bietet keine Anleitung zur Zubereitung eines Getränkes, sondern zur Herstellung einer gewürzten Schokoladenmasse. Diese konnte wiederum für die Zubereitung der Trinkschokolade oder als geschmacksgebende Zutat in anderen Speisen (etwa „Schockelade Crema“, Rezept Nummer 57) verwendet werden.

 „Mann nimt die Cacao Bohnen und brennt sie in einem Caffe brenner so lange bis mann die Schalen mit den Fingern bequem abdrücken kann, als dann schälet mann sie, und nimt von denen also zubereiteten Bohnen 1 lb“.

Das Rezept beginnt mit dem Rösten der Kakaobohnen in einem Kaffeeröster, setzt also ein gewisses Küchen-Equipment voraus, das aber für die Herstellung von Kaffee vielfach vorhanden gewesen sein dürfte. Der Kaffee etablierte sich vor dem Kakao. Mit dem „Caffe brenner“ konnten die Kaffeebohnen oder der günstige Ersatzkaffee am heimischen Herdfeuer geröstet werden.

Auf ein Pfund geröstete und geschälte Kakaobohnen kommen in diesem Rezept „1 lb Zucker / 1 ½ loth Canehl / ohngefähr 12 Gewürtz Nelken / 1 oder auch nur ½ Schote Vanille“.

Für die Herstellung der Schokolade wurden somit ausschließlich Kolonialwaren verwendet: Neben den Kakaobohnen noch Zucker, Zimt, Gewürznelken und Vanille. Diese Genussmittel und Gewürze stammen aus verschiedenen Teilen der Welt. Das fertige Produkt bestand also aus ‚internationalen‘, fast schon globalen Zutaten und war entsprechend kostspielig.

Im Kochbuch steht auch ein Rezept für eine „Schockelade Crema“, für die als Geliermittel „Haußblasen“, also Hausenblase, verwendet wird. (Foto: Dorothee Jahnke)

Das Rezept schreibt vor, dass die Kakaobohnen zunächst in einem angewärmten Mörser gestoßen werden sollen, „ohngefähr 4 oder 5 Stunde bis mann glaubt daß sie fein genug sind“. Dann „thut mann das Zucker und Gewürz dazu, und stößt es über einer gelühenden Kohle Wärme bis es flüssiger teig ist“, bevor die Masse in vorbereitete Formen gestrichen wird. Nach dem Abkühlen ist die Schokolade fertig für die Weiterverarbeitung.

Interessant wäre nun ein Nachkochversuch. Welche Konsistenz hat die fertige Schokolade? Wie schmeckt sie ‚roh‘ und wie als zubereitetes Getränk?

Das Rezept stellt moderne Köchinnen und Köche vor verschiedene Herausforderungen. Zunächst gibt es keinen Aufschluss darüber, wie viele Kakaobohnen geröstet und geschält werden müssen, damit für die weitere Zubereitung ein Pfund übrigbleibt. Aber auch die Mengenangaben sind unklarer, als sie auf den ersten Blick scheinen: ein Pfund wog nicht überall gleich viel; sein Gewicht variierte je nach Region und Zeit. Erst 1854 wurde vom Deutschen Zollverein das ‚Zollpfund‘ mit 500 Gramm festgelegt. Das Gewicht eines Lots entsprach bis zur Einführung des Zollpfunds 1/32 Pfund, danach zum Beispiel in Preußen 1/30 Pfund. Wird das heutige Pfund als Grundlage genommen, wiegen anderthalb Lot Zimt also 23,4 bis 25 Gramm. Weniger abstrakt: das ist in etwa die Hälfte einer heute handelsüblichen Nachfüllpackung mit gemahlenem Zimt, also durchaus eine beachtliche Menge.

Die abschließende Warnung des Rezepts gilt übrigens unverändert weiter: „Besonders mus mann sich in Acht nehmen, wenn die Schockolade über dem Feuer stehet daß sie nicht im Mörser anbrennet“.