Pfarrchroniken als historische Quelle
Lennart Metken
Lennart Metken
Einen guten Einstieg in die Ortsgeschichte im Münsterland und am Niederrhein bieten die Pfarrchroniken, die von den Pfarrern geführt wurden und werden. Nach der „Anweisung zur Anfertigung der Chroniken der Städte und der Pfarrgemeinden“ vom 21.06.1823, an die Oberpräsident Ludwig von Vincke Bischof Kaspar Maximilian Droste zu Vischering 1838 erinnerte (Bild 1), sollten die Pfarrer Ortschroniken über das Schul- und Kirchenwesen führen. Diese Chroniken sollten die Chroniken/Annalen der weltlichen Ortsvorstände ergänzen.
Erste Chroniken wurden in einzelnen Pfarreien schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts angefertigt, aber erst ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts kann man von einer flächendeckenden Chronikführung/Berichterstattung sprechen. Inhaltlich waren den Geistlichen keine Grenzen gesetzt, sodass sich deutlich die Handschrift eines jeden Pfarrers abzeichnet. Selbstverständlich wurden die ersten Chroniken noch handschriftlich verfasst, bis Anfang des 20. Jahrhunderts die Schreibmaschine in den Pfarrhäusern Einzug hielt.
Immer wieder finden sich in den Chroniken auch historische Abhandlungen über die frühe Pfarrgeschichte, wie zum Beispiel durch Pfarrer Karl Esser, der zwischen 1933 und 1952 als Pfarrer in der Gemeinde Mehr St. Vincentius am Niederrhein tätig war. Für Mehr ist so eine fünfteilige Chronik entstanden, die die Pfarr- und Ortsgeschichte ab dem frühen 17. Jahrhundert beinhaltet. (Bild 2)
Besonders die Zeit des Nationalsozialismus findet vielfach eine ausgesprochen intensive Betrachtung in den Pfarrchroniken. Hier sind Aufzeichnungen der Repressalien, die die Pfarrgemeinden und ihre Angehörigen während der Herrschaft des NS-Regimes zu erdulden hatten, und auch Berichte über die Kriegszerstörungen zu finden. In Mehr hat Karl Esser hier eine kurze Übersicht über die Maßnahmen der NS-Behörden angelegt. (Bild 3)
Berichte aus den Pfarrgemeinden waren auch an das Generalvikariat in Münster zu senden, um daraus eine Materialsammlung über das Bistum während der Zeit des Nationalsozialismus zu erstellen. Die Sammlung ist heute unter der Signatur GV NA, Büro des Generalvikars, A101 – A4 bis A 37 einzusehen.
Insgesamt finden sich in den Pfarrchroniken Aufzeichnungen zur Pfarr-, Regional-, Personenstands- und Wirtschaftsgeschichte der Pfarreien im Bistum Münster. Diese sollten auch dem nachfolgenden Pfarrer einen Überblick über die Pfarrgemeinde bei seinem Amtsantritt bieten.
Gespickt sind die Chroniken mit Anekdoten aus dem Pfarrleben, wie auf Bild 4 zu sehen ist. Pfarrer Franz Janmieling schrieb hier viel zur Wetterlage in Nienborg, die im landwirtschaftlich geprägten Münsterland große Bedeutung für seine „Schäfchen“ hatte. Eine interessante Anekdote ist sicherlich das „skandalöse“ Verhalten der Kinder bei der Palmenprozession und das Entschwinden der Jungen der Oberklasse aus der Betstunde „in einem unbedachtem Augenblick“.
Die Pfarrchroniken in den übernommenen Pfarrarchiven können von Interessierten nach Bestellung im Lesesaal des Bistumsarchivs eingesehen werden.
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