Sprengstoff als Hilfsmittel in der Landwirtschaft

04.10.2024 Peter Herschlein

Werbeanzeige für das „Romperit Sprengkultur-Verfahren“. (Quelle: Westfälischer Bauernkalender 1939, S. 128)

Peter Herschlein

In der Bibliothek der Kommission Alltagskulturforschung befinden sich eine Reihe von Heimat- und Bauernkalendern. Diese enthalten viele Anzeigen, in denen landwirtschaftliche Produkte beworben werden. So auch im „Westfälischen Bauern-Kalender“ aus dem Jahr 1939. Neben Werbung für Erntemaschinen oder Saatgut fällt eine Anzeige besonders ins Auge: In großen Buchstaben wird dort Werbung gemacht für das „Romperit Sprengkultur-Verfahren“ als „billigstes Hilfsmittel zur Kultivierung von Öd- und Brachland, zur Neuanlage im Wein-, Obst-, Garten-, Feld- und Waldbau und zur Ertragssteigerung in Altanlagen“.

 

 

Öffentliche Vorführung des Sprengkultur-Verfahrens, gezeigt wird das Anlegen einer Baumgrube (Quelle: Mitteilungen der Deutschen dendrologischen Gesellschaft 21, 1912, S. 240).

Bei weiterer Recherche finden sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche ähnliche Anzeigen sowie Werbeschriften des Herstellers. 1910 brachte die Dresdener Dynamitfabrik den Sicherheitssprengstoff „Romperit-C“ für Anwendungen im landwirtschaftlichen Bereich auf den Markt. Dieser Sprengstoff bestand neben Ammonsalpeter aus TNT, Holzmehl und Nitroglycerin. Von der Herstellerfirma konnten Interessierte kostenlose Werbeschriften beziehen, in denen die Anwendungsbereiche und die Durchführung des Sprengverfahrens detailliert beschrieben wurden. In den nächsten Jahren wurde die Werbestrategie weiter ausgebaut, es folgten öffentliche Sprengvorführungen. Dafür reisten Sprengtechniker durch ganz Deutschland, um die Anwendung des Sprengstoffes Interessierten aus der Land- und Forstwirtschaft sowie dem Garten-, Obst- und Weinbau in der Praxis zu demonstrieren.

Besonders hervorgehoben wurde dabei stets die Sicherheit der Handhabung. So heißt es in einem Werbeartikel, dass die Nutzung von Sprengstoff der Marke Romperit-C weniger gefährlich als „die Anwendung eines Jagdgewehres“ sei. Da der Sprengstoff auch durch die Behörden als handhabungssicher und unempfindlich gegen äußere Einwirkungen eingestuft wurde, war es sogar möglich, diesen als Stück- oder Eilgut mit der Eisenbahn zu befördern. Nicht zuletzt durch diese Transportmöglichkeit erlangte das Produkt eine weite Verbreitung.

Das Sprengkulturverfahren wurde gleich für eine ganze Reihe von Anwendungszwecken in der Land- und Forstwirtschaft beworben – nicht ohne auf die große Zeit- und Kostenersparnis gegenüber herkömmlichen Methoden hinzuweisen. Anstelle des herbstlichen Tiefpflügens  wurde der Einsatz von Sprengstoff empfohlen. Denn im Gegensatz zum herkömmlichen Pflügen würde „der Boden [...] durch die Explosion tief gelockert und krümelig gemacht“. Weitere positive Effekte der Sprengstoffanwendung seien die erhöhte und schnellere Auflösung der Pflanzennahrung sowie die Bildung von Feuchtigkeitsreserven in den gelockerten tiefen Bodenschichten.

 

Für das Tiefrigolen im Herbst wurde der Einsatz von Sprengstoff, anstelle eines Pfluges empfohlen (Quelle: Mitteilungen der Deutschen dendrologischen Gesellschaft 21, 1912, S. 242).

Neben der Produktionssteigerung auf bestehenden Anbauflächen, stand die Gewinnung neuer Ackerflächen im Vordergrund. Beispielsweise sollten Sumpfflächen nutzbar gemacht werden können, indem die kompakte und für das Wasser undurchdringbare Bodenschicht durch eine Sprengung zerstört wurde. Eine besondere Arbeitserleichterung wurde beim Beräumen von gerodeten Waldflächen versprochen. So heißt es in einem Artikel von 1912 über das Sprengkulturverfahren: „In derselben Zeit, in der man zwei starke Stubben mit der Hand rodet, können zwanzig gleiche Stubben [Baumstümpfe mit Wurzelwerk] entfernt werden, wenn diese durch Romperit C richtig gesprengt werden“. Doch „nicht nur Stubben, auch ganze Bäume können durch Romperit C beseitigt werden“.

 

Durch den Einsatz von Sprengstoff beseitigter Baumstumpf (Quelle: Mitteilungen der Deutschen dendrologischen Gesellschaft 21, 1912, S. 246).

Auch für die Pflege bereits bestehender landwirtschaftlicher Kulturen wurde Romperit C empfohlen. Bei älteren Obstbäumen mit nur noch geringem Ertrag, sei eine Anwendung von Romperit C „sehr zuträglich“, um den Boden um den Baum herum zu lockern und Schädlinge zu vernichten. Im 1. Weltkrieg wurde Sprengstoff der Marke Romperit dann vor allem durch das deutsche Militär im Fronteinsatz genutzt. Zudem wurden Verfahren für spezielle Anwendungsbereiche, wie das Bekämpfen tierischer Schädlinge oder Sprengen von Löchern für Telegrafenmasten entwickelt.

Während das Romperit-Sprengkulturverfahren zwischen den beiden Weltkriegen seinen Höhepunkt erreicht hatte, sank die Bedeutung von Sprengstoff in der Landwirtschaft in den folgenden Jahrzehnten immer weiter. Bedeutete die Nutzung von Sprengstoff auch schnelle Erfolge, waren einige Voraussetzungen zu beachten. So war die Anwendung ausgebildeten Sprengkultur-Meistern vorbehalten, die zunächst einen kostenpflichtigen behördlichen Erlaubnisschein beantragen mussten. Dazu kamen auch damals schon Arbeitsschutzvorschriften, die beispielsweise die Anwendung bei Dunkelheit oder Nebel untersagten. Gleichzeitig schritt die Technisierung in der Landwirtschaft immer weiter voran, wodurch für viele Anwendungsbereiche mechanische Alternativen aufkamen. Baumstümpfe können beispielsweise mit einer Wurzelfräse effizient beseitigt werden, was den Einsatz von Sprengstoff entbehrlich machte. Zudem dürfte das Erstarken des Naturschutzgedankens die Nutzung in vielen Anwendungsbereichen immer weiter eingeschränkt haben. So stehen Feuchtbiotope und Findlinge heute unter gesetzlichen Schutz und dürfen nicht mehr zerstört werden.

Der Einsatz von Sprengstoff wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch erheblichen Werbemitteleinsatz als eine Art Allzweckmittel für die Landwirtschaft angepriesen. Vor allem bei der Gewinnung neuer landwirtschaftlicher Nutzflächen und der Produktionssteigerung wurden große Zeit- und Kostenersparnisse versprochen. Fortschreitende Technisierung und zunehmende Vorschriften führten jedoch dazu, dass der Einsatz von Sprengstoff immer mehr an Bedeutung verlor. Heute ist der Einsatz von Sprengstoff in der Landwirtschaft unter anderem im Hinblick auf die Schädigung von Bodenlebewesen kaum mehr vorzustellen.

Literatur und Quellen:

Bartsch, Jürgen: Romperit. Sprengstoff made in Dresden. Sprenginfo 33, 2011.

Dresdener Dynamit-Fabrik: Sprengkultur-Verfahren mit Romperit C. Mitteilungen der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft 21, 1912, S. 230-250.

Landesbauernschaft Westfalen: Westfälischer Bauern-Kalender 1939.