Timo Luks
In den Berichten zu Holzschuhen und Holzschuhmachern, von denen hier bereits die Rede war, finden sich auch Ausführungen zu den Betriebsformen und zur Art des Vertriebs. Die Volkskundliche Kommission für Westfalen hatte explizit danach gefragt, und die Berichte erlauben es, unterschiedliche Praktiken zu rekonstruieren und nebeneinander zu stellen.
Zahlreiche westfälische Holzschuhmacher waren Hausbesitzer und betrieben im Haus eine Werkstatt. „Natürlich waren sie Hauseigentümer und die Werkstatt befand sich in einem Raum an der Deele gelegen.“ (MS00410) In einigen Berichten, die die werkstattförmige Produktionsweise betonten, wurde recht kategorisch bemerkt: Holzschuhmacher gingen nicht von Hof zu Hof auf der Suche nach Kundschaft. Stattdessen fertigten sie Holzschuhe – und das entspricht dem klassischen Produktionsmodell des Handwerks – in ihrer Werkstatt auf Bestellung einzelner Kunden, auch wenn sie von gängigen Größen einen gewissen Vorrat hatten.
Allerdings war das klassische Modell nie die einzige Art als Holzschuhmacher zu arbeiten. Die Mehrheit der Berichte beschrieb verschiedene Betriebsformen und Geschäftsmodelle mit oft fließenden Grenzen und nicht immer eindeutigen Übergängen. Zunächst lieferten Holzschuhmacher auch an „bestimmte Läden, die Lebensmittel u. den üblichen Kleinkram führten.“ (MS01155) Bauern, die einen Baumstamm zur Verarbeitung brachten, überließen dem Holzschuhmacher häufig das übriggebliebene Holz, manchmal als Teil der Bezahlung, das dieser für weitere Holzschuhe verwenden konnte. Letztere gingen in den Direktverkauf oder wurden einem örtlichen Geschäft überlassen. Mitunter kaufte ein Holzschuhmacher einen Stamm für sich, „so daß man bei ihm auch fertige Holzschuhe kaufen konnte.“ (MS02949) Eine der Berichtspersonen erkannte darin einen Vorteil: „Dies kam dem Handwerk insofern zugute, weil sie dann nicht nach Maß arbeiten brauchten, was auf Einzelbestellung immer der Fall war.“ (MS05225)
Hinzu kam, dass auch in Zeiten stabiler Nachfrage nicht in jeder Ortschaft Holzschuhmacher ansässig waren. Die Ortschaft Drewer bezog nach dem Tod des ohne Nachfolger gebliebenen ortsansässigen Holzschuhmachers ihre Holzschuhe über einen der beiden Lebensmittelläden. „Diese hielten immer einen Vorrat von Holzschuhen, die ihnen aus der Gegend von Delbrück geliefert wurden.“ (MS02462) Laut einem Bericht war das in Herne ähnlich. Dort war es ein Schuhmacher, der Holzschuhe von außen bezog, sie mit einem Lederbesatz versah und dann weiterverkaufte. Zudem „verkauften die größeren Lebensmittelgeschäfte alle noch Holzschuhe.“ (MS00497) Offenbar hatte sich zumindest in Ansätzen eine regionale Spezialisierung herausgebildet, mit Vertriebsstrukturen, die das ermöglichten und stabilisierten. So galt beispielsweise Darup als „ausgesprochenes Holzschuhmacherdorf. […] Geliefert wurde nach Dülmen, Marl, Haltern und ins Ruhrgebiet. Geschickt wurden sie mit der Bahn über den Bahnhof Billerbeck, wohin sie der Milchmann mitnahm.“ (MS05960) Da „im Revier“ der Beruf des Holzschuhmachers „nie heimisch“ gewesen sei, kaufte man in Bochum-Laer Holzschuhe „ausnahmslos in einschlägigen Geschäften oder bei reisenden Händlern.“
„Diese Händler kamen hauptsächlich aus dem Münsterland und von der holländischen Grenze. Sie zogen mit einem Pferdewagen über die Straßen und verkauften von diesem übervoll beladenen Wagen an die Interessenten, die auch eifrig davon Gebrauch machten.“ (MS02058)