Mit eigener Werkstatt oder „von Hof zu Hof“? Über verschiedene Arten, als Holzschuhmacher zu arbeiten

14.03.2025 Niklas Regenbrecht

Walpurgismarkt, Borken, 1982, Fotograf: Dietmar Sauermann, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 0000.84613.

Timo Luks

In den Berichten zu Holzschuhen und Holzschuhmachern, von denen hier bereits die Rede war, finden sich auch Ausführungen zu den Betriebsformen und zur Art des Vertriebs. Die Volkskundliche Kommission für Westfalen hatte explizit danach gefragt, und die Berichte erlauben es, unterschiedliche Praktiken zu rekonstruieren und nebeneinander zu stellen.

Zahlreiche westfälische Holzschuhmacher waren Hausbesitzer und betrieben im Haus eine Werkstatt. „Natürlich waren sie Hauseigentümer und die Werkstatt befand sich in einem Raum an der Deele gelegen.“ (MS00410) In einigen Berichten, die die werkstattförmige Produktionsweise betonten, wurde recht kategorisch bemerkt: Holzschuhmacher gingen nicht von Hof zu Hof auf der Suche nach Kundschaft. Stattdessen fertigten sie Holzschuhe – und das entspricht dem klassischen Produktionsmodell des Handwerks – in ihrer Werkstatt auf Bestellung einzelner Kunden, auch wenn sie von gängigen Größen einen gewissen Vorrat hatten.

Allerdings war das klassische Modell nie die einzige Art als Holzschuhmacher zu arbeiten. Die Mehrheit der Berichte beschrieb verschiedene Betriebsformen und Geschäftsmodelle mit oft fließenden Grenzen und nicht immer eindeutigen Übergängen. Zunächst lieferten Holzschuhmacher auch an „bestimmte Läden, die Lebensmittel u. den üblichen Kleinkram führten.“ (MS01155) Bauern, die einen Baumstamm zur Verarbeitung brachten, überließen dem Holzschuhmacher häufig das übriggebliebene Holz, manchmal als Teil der Bezahlung, das dieser für weitere Holzschuhe verwenden konnte. Letztere gingen in den Direktverkauf oder wurden einem örtlichen Geschäft überlassen. Mitunter kaufte ein Holzschuhmacher einen Stamm für sich, „so daß man bei ihm auch fertige Holzschuhe kaufen konnte.“ (MS02949) Eine der Berichtspersonen erkannte darin einen Vorteil: „Dies kam dem Handwerk insofern zugute, weil sie dann nicht nach Maß arbeiten brauchten, was auf Einzelbestellung immer der Fall war.“ (MS05225)

Hinzu kam, dass auch in Zeiten stabiler Nachfrage nicht in jeder Ortschaft Holzschuhmacher ansässig waren. Die Ortschaft Drewer bezog nach dem Tod des ohne Nachfolger gebliebenen ortsansässigen Holzschuhmachers ihre Holzschuhe über einen der beiden Lebensmittelläden. „Diese hielten immer einen Vorrat von Holzschuhen, die ihnen aus der Gegend von Delbrück geliefert wurden.“ (MS02462) Laut einem Bericht war das in Herne ähnlich. Dort war es ein Schuhmacher, der Holzschuhe von außen bezog, sie mit einem Lederbesatz versah und dann weiterverkaufte. Zudem „verkauften die größeren Lebensmittelgeschäfte alle noch Holzschuhe.“ (MS00497) Offenbar hatte sich zumindest in Ansätzen eine regionale Spezialisierung herausgebildet, mit Vertriebsstrukturen, die das ermöglichten und stabilisierten. So galt beispielsweise Darup als „ausgesprochenes Holzschuhmacherdorf. […] Geliefert wurde nach Dülmen, Marl, Haltern und ins Ruhrgebiet. Geschickt wurden sie mit der Bahn über den Bahnhof Billerbeck, wohin sie der Milchmann mitnahm.“ (MS05960) Da „im Revier“ der Beruf des Holzschuhmachers „nie heimisch“ gewesen sei, kaufte man in Bochum-Laer Holzschuhe „ausnahmslos in einschlägigen Geschäften oder bei reisenden Händlern.“

„Diese Händler kamen hauptsächlich aus dem Münsterland und von der holländischen Grenze. Sie zogen mit einem Pferdewagen über die Straßen und verkauften von diesem übervoll beladenen Wagen an die Interessenten, die auch eifrig davon Gebrauch machten.“ (MS02058)

Aschermittwochsmarkt, Holzschuhverkäufer, Münster-Roxel 1967, Fotografin: Renate Brockpähler, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 0000.36795.

Neben dem Modell der stationären Werkstatt – unabhängig davon, wie dann letztlich Verkauf und Vertrieb organisiert waren – existierte eine zweite, ebenfalls weit verbreitete Produktionsform. Die Berichterstatter unterschieden hier in der Regel klar – und beschrieben beide Formen als eine Art historischer Abfolge. In älteren Zeiten gingen Holzschuhmacher demnach von Hof zu Hof, später richteten sich einige dann eine Werkstatt ein. „Zu seiner Zeit, also während der letzten 30–40 Jahre etwa“, so resümiert ein Bericht vom Mai 1959 die Erzählung eines alten Holzschuhmachers aus Everswinkel,

„war es meist üblich, daß die Holzschuhmacher einen festen Wohnsitz hatten und nebenbei Landwirtschaft, Acker und Vieh besaßen. Sie hatten dann zur Holzschuhmacherei eine eigene Werkstatt und auch eigenes Werkzeug. Er kennt es aber auch noch, wie es vorher Brauch war, daß die Holzschuhmacher von Hof zu Hof gingen, wie etwa die Sensenschleifer. Sie blieben auch über Nacht auf den Höfen. […] Ihre Werkzeuge brachten sie mit.“ (MS01524)

Während im Zitat eine Nähe der Holzschuhmacherei zum Wanderhandwerk hergestellt wurde, brachte ein anderer Bericht Holzschuhmacher, die von Hof zu Hof zogen, mit Tagelohn in Verbindung (MS00277). Und damit wird deutlich, dass es sich um ein strukturell prekäres Gewerbe handelte, dessen soziale Verortung schwanken konnte.

Holzschuhmacher nehmen einen interessanten Platz in der Geschichte des Handwerks ein. Diese Geschichte ist durch einen langfristigen und fundamentalen Wandel gekennzeichnet: von einem vor allem produzierenden Gewerbe hin zu einem Dienstleistungsgewerbe. Wenn wir heute Handwerkerinnen und Handwerker „im Haus“ haben, dann geht es um Reparatur, Wartung oder Installation. Für Dinge, die dabei ausgetauscht oder neu verbaut werden, fungiert der Handwerksbetrieb in der Regel lediglich als Zwischenhandel. Produzierendes Handwerk findet sich demgegenüber in einer Nischenposition. Holzschuhe sind dafür ein gutes Beispiel. Mit der rapide sinkenden Nachfrage und ihrem Bedeutungsverlust als Alltagsgegenstand wurden sie „als Accessoire folkloristischer Darbietungen“ interessant und wandelten sich in ein „Relikt der Vergangenheit“ und einen „Beweis regionaler Besonderheit“ (Christiane Cantauw). Das veränderte einerseits den Vertrieb, der inzwischen oft über „Bauernmärkte“ oder den Online-Handel abgewickelt wird. Andererseits verändert sich damit auch ein altes Handwerk. Schauwerkstätten, Online-Tutorials oder Dokumentationen verwandeln die Technik der Holzschuhherstellung in ein immaterielles – regional bedeutsames – Kulturerbe. Ausgehend vom Bedeutungswandel und Stellenwert eines Objekts, des Holzschuhs, rückte und rückt ein Handwerk einerseits in die Nähe der (musealen) Traditionspflege. Andererseits nähert es sich jenen aus Liebhaberei betriebenen Hobbys an, die manchmal zu Geld gemacht werden. Handgefertigte Holzschuhe werden inzwischen auch auf Plattformen wie etsy.com gehandelt.

 

Literatur:

Cantauw, Christiane: Quo vadis, Holzschuh? Zur Interdependenz von Bedeutungszuweisungen und stofflicher Präsenz am Beispiel einer traditionellen Fußbekleidung, in: Andreas Hartmann u.a. (Hg.): Die Macht der Dinge. Symbolische Kommunikation und kulturelles Handeln. Festschrift für Ruth-E. Mohrmann, Waxmann: Münster u.a. 2011, S. 297–308.

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Schlagworte: Handwerk · Timo Luks