Urlaubsfotos aus dem Jahr 1944
Kathrin Schulte
Eigentlich suchten wir ja nach Motiven für die Gestaltung unseres Blogs, die eine gewisse Themenvielfalt abbilden. Wir sichteten Manuskripte, Dias, ein kleines Sammelsurium an Kisten, in denen Archivgut seinen Weg zu uns fand. Und mehrere Fotoalben. Eines dieser Alben sicherte sich durch die eingeklebten Pflanzen direkt einen Platz im Header des Blogs, ließ uns jedoch auch in der folgenden Zeit nicht los. Es beinhaltet neben den Pflanzen Fotos mehrerer Familienurlaube einer Familie. Vor allem einer dieser Urlaube weckte unser Interesse: „Riesengebirgsreise 27.7. – 12.8.1944“ heißt es auf der ersten Seite. Hatten wir uns verlesen? Wer kommt denn zu dem Zeitpunkt auf die Idee, in Urlaub zu fahren? Zwei Besteigungen der Schneekoppe, datiert auf den 1. und 9. August 1944, die fotografisch festgehalten wurden, bestätigten das Datum. Die weiteren Urlaube der Familie, die in dem Album dokumentiert wurden, führten nach Siedlinghausen (Winterberg) (1951), Bad Tölz (1952), Willingen (1953), Kärnten und Venedig (beide 1954). Das Album ließ uns etwas ratlos zurück: Wieso fährt eine vierköpfige Familie weniger als ein Jahr vor Ende des Krieges für zwei Wochen in Urlaub? Der Krieg war längst in Deutschland spürbar geworden: Warum verlässt diese Familie in einer solchen Zeit ihr Zuhause, um in den Bergen wandern zu gehen?
Also begannen wir mit unserer Recherche. Bei den Besitzern des Albums handelte es sich um die Familie Brockpähler aus Münster. Renate, die Tochter der Familie und das Mädchen auf den Fotos, war später langjährige Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle der Volkskundlichen Kommission. Diese Tatsache kam uns an dieser Stelle zugute, da ihr Nachlass in unserem Archiv lagert. Hierzu gehören auch ihre Tagebücher, die sie zu Jugendzeiten führte. Diese Tagebücher sind nicht nur eine großartige alltagshistorische Quelle, sondern liefern uns spannende Erkenntnisse, die durch Informationen aus der Literaturkommission über ihren Vater ergänzt wurden.
Der Vater der Familie, Wilhelm Brockpähler (1894 – 1980), war Lehrer, schied jedoch 1936 aufgrund eines Gehörleidens aus dem Schuldienst aus und arbeitete seitdem in der Geschäftsführung des Westfälischen Heimatbundes, dessen Leitung er später übernahm. Es ist davon auszugehen, dass er aufgrund seines Gehörleidens nicht wehrfähig war.