Timo Luks
Ende des 19. Jahrhunderts erlebte das rheinisch-westfälische Industriegebiet einschneidende Veränderungen in Sachen der kommunalen Polizeiorganisation. Der Bergarbeiterstreik (1889) – eine der großen sozialen Erschütterungen des Kaiserreichs – hatte deutlich gezeigt, dass Militär und private „Zechenpolizei“ bei der Wahrung der öffentlichen Ordnung mehr Probleme verursachten als lösten. Politik und Behörden reagierten darauf mit einer Modernisierung der Polizei. Einerseits brachte das eine erhebliche Vergrößerung der Polizeimannschaften, andererseits Professionalisierungsschübe nicht zuletzt bei der Ausbildung.
Die Debatte um notwendige Polizeireformen, so der Historiker Ralph Jessen, war im Wesentlichen eine Debatte um eine Reform der Polizeiausbildung. Maßgeblich wurde die Einrichtung regionaler Polizeischulen, häufig initiiert und geleitet von (ehemaligen) Oberbeamten, die langjährige Erfahrung in der Kommunalpolizei mit einer Autorentätigkeit verbanden und in der Regel seit Längere mit Reformvorschlägen aufwarteten. Dabei sei auffällig, so Jessen, dass „die Polizeischulbewegung ihren Ausgangspunkt und ihr Schwergewicht im rheinisch-westfälischen Industriegebiet hatte“ (S. 202). Barmen, Krefeld, Düsseldorf, Duisburg, Elberfeld und Essen schlossen sich 1901 zu einem Trägerverein zusammen, „der die erste kommunale Polizeischule Preußens in Düsseldorf einrichtete“. 1902 wurde die vom Münsteraner Regierungspräsidenten angeregte Polizeischule in Recklinghausen eröffnet. Vergleichbare Einrichtungen folgten in Dortmund, Bochum, Hagen und Gelsenkirchen. Die genannten Schulen konzentrierten sich auf die Ausbildung kommunaler Polizeibeamter und erhaben dafür Kursgebühren. Die Ausbildung dauerte zwei bis drei Monate und endete mit einer Prüfung.
Leiter der Polizeischule in Recklinghausen wurde der ehemalige Polizeiinspektor und Verfasser zahlreicher Hand- und Lehrbücher Friedrich Retzlaff. 1912 erschien das von ihm verantwortete Kleine Polizeihandbuch. Nach über eintausend Seiten findet sich darin ein zweiseitiger Absatz, den man so vielleicht nicht erwarten durfte: