Andreas Eiynck
In den 1950er-Jahren wusste nach Auskunft einer früheren Lehrerin in Wietmarschen (Grafschaft Bentheim) dort noch jedes Kind, dass eine bestimmte Familie im Dorf zum „Hexenvolk“ gehörte. In deren Haus sollten sich angeblich seltsame Dinge ereignen. Wenn jemand aus dieser Familie an einem fremden Haus vorbeiging, dann waren plötzlich Knoten in den Bettlaken und in den Wäschestücken. Starb damals ein Kind, dann kamen üblicherweise die Nachbarn und Verwandten an den offenen Sarg und legten Heiligenbildchen auf die Leiche. Aber wenn das jemand aus der besagten Familie machte, dann sah man „Ringe über dem Sarg tanzen“. Auch wollte niemand sein Vieh neben den Tieren aus diesem Hause stehen haben, aus Angst, es könne mit einer Krankheit behext werden. Die jungen Leute im Dorf wurden ermahnt, ja keine Liebschaft mit jemandem aus dieser Familie anzuknüpfen.
Über solche Vorstellungen vom „Hexenvolk“ berichtete das aufklärerische „Wochenblatt der Grafschaft Bentheim“ schon im Jahre 1804 und meinte: „Es ist unbegreiflich, wie in dem Gehirn eines Menschen der rasende Gedanke entstehen konnte, ‚das der Teufel mit den Hexen eine fleischliche Verbindung unterhalte‘. Noch unbegreiflicher ist es aber, dass diese tolle Meynung bey den frommsten und gelehrtesten Männern ihrer Zeit Glauben, und dass sie sogar bey den Gerichten Eingang fand, wo sie die fürchterlichsten Gräuel verursachte.“ Das Blatt schildert im Weiteren die schrecklichen Auswüchse von Hexenglauben und Hexenverfolgung. Am Ende des mehrseitigen Beitrags verweist der Redakteur auf die schlimmen Folgen, die ein Verdacht der Hexerei für die Betroffenen damals (also 1804) noch hatte: „‚Er oder Sie gehört zum Hexen-Volk‘, das ist die geheime Losung zum allgemeinen Abscheu. Und wenn gleich Niemand es wagt, jene schwarze Stammtafel öffentlich auszustellen, so raunt doch Einer sie dem Andern in’s Ohr; sie ist ein Geheimnis, welches Jeder weiß, und Jeder seinen Nachkommen hinterläßt, wie Er Selbst es vom Vater oder Mutter geerbt hat.“
Doch nicht nur in der abgelegenen Grafschaft Bentheim glaubten viele Menschen noch lange Zeit an Hexenvolk und Hexerei. Heinrich Bügener beschreibt in seinen Sagensammlungen „Grenzland-Sagen“ von 1926 und Witte Wiwkes“ (= weiße Frauen) von 1933 eine ganze Reihe von Hexenvorstellungen aus dem nordwestlichen Münsterland.