Viel Schnee und wenig Licht. Winterbilder des Ländlichen

24.01.2025 Niklas Regenbrecht

Landschaft mit Bauernhof in Ostenwalde bei Hopsten (um 1930).

Andreas Eiynck

Rein kalendarisch macht der Winter ganz genau ein Viertel des Jahres aus, aber in den ländlichen Fotobeständen der Zeit vor etwa 1960 bilden Winterbilder nur einen Bruchteil des überlieferten Bestandes.

Die Feldarbeit und die Ernte, beliebte Themen in der ländlichen Fotografie, finden nun einmal nicht im Winter statt. Auch keine Schützenfeste und großen Hochzeiten, Kommunion- oder Konfirmationsfeiern mit den obligatorischen Fotos vor Bauernhausgiebeln und in Bauerngärten. Jede:r kennt die Bildthemen des Sommers auf dem Lande. Was aber sind die gängigen Themen der Winterbilder in ländlichen Raum?

Da steht an erster Stelle der Blick in die vom Raureif oder vom Schnee bedeckte weite Landschaft. Schnee liegt im nordwestdeutschen Flachland nur selten, aber gerade das macht die verschneite Umgebung offenbar so interessant – auch für Fotograf:innen und Knipser:innen.

Bauernhaus mit Schnee in Leer bei Horstmar (um 1930).

Haus und Hof wirken unter einer Schneedecke ganz ungewöhnlich und bilden daher ein beliebtes Motiv. Häufig stehen dabei winterlich gekleidete Personen im Vordergrund. Und wenn es junge Leute sind, dann haben sie oft einen Rodelschlitten hervorgeholt oder beziehen die Fotografierenden scherzhaft in eine Schneeballschlacht mit ein.

Heuerlingsfamilie im Schnee (um 1930).

Pferde im Schnee sind eines der häufigsten Motive in der winterlichen Fotografie auf dem Lande bis weit in die 50er-Jahre. Sie waren eben der ständige Begleiter des Bauern auch bei Arbeiten im Winter.

Bauernfamilie mit Pferde im Schnee vor der Haustür in Sellen bei Burgsteinfurt (um 1925).

Starker Schneefall mit verschneiten Straßen und Wegen ist im norddeutschen Flachland eher selten und kommt heute eigentlich nur noch alle paar Jahre vor, früher wohl wesentlich häufiger. Dann wurden die Pferde vor den Schlitten gespannt – auch dies ein beliebtes Fotomotiv. Mit dem Vordringen der Trecker und Motorfahrzeuge rückte auch fotografisch der Kampf der Technik gegen ungewöhnliche Schneemassen in den Vordergrund.

Schlitten auf der Landstraße nach Hopsten im Jahrhundertwinter 1928-1929.
Schneeräumen mit dem Frontlader in Hollich bei Burgsteinfurt (um 1955).

Eine typische Wintertätigkeit war und ist die Arbeit „im Holz“, also das Einholen von Nutz- und Brennholz aus Forsten und Wallhecken. Der unwegsame Waldboden und die unbefestigten Wege sind bei Frost besser begehbar und die schwere Arbeit mit Axt und Säge hilft beim „Warmarbeiten“ im Freien. Das Gegenstück zum sommerlichen Motiv der „Pause bei der Erntearbeit“ auf dem abgeernteten Getreidefeld bildet hier die „Pause bei der Waldarbeit“ am wärmenden Feuer im Schnee.

Waldarbeiten im Forst bei Hopsten (um 1925).

Für Abwechslung in den grauen Wintertagen sorgen die Jagdgesellschaften. Die Bauern haben dann Zeit und im Schnee bildet das Wild eine leichte Beute. Das war früher nicht anders. Und so geht es bei den winterlichen Jagdfotos auch weniger um die fotografische Dokumentation des niedergestreckten Wildes, als vielmehr um die Gemütlichkeit beim Jagdausflug.

Jagdgesesllschaft in Lengerich (um 1950).

Vergleichsweise selten sind Innenaufnahmen während der Winterzeit. Ohne Blitzlicht war in der dunklen Jahreszeit das Fotografieren in Innenraumen sehr schwierig, denn bei Einsatz eines Statives führten die langen Belichtungszeiten zum „Verwackeln“ von Personenaufnahmen. Ein gängiges Motiv war die abendliche Runde der Hausbewohner um das Herdfeuer und später um die wärmende Kochmaschine oder den großen Küchentisch.

Am Herdfeuer auf einem Bauernhof in Asbeck bei Legden (um 1950).

Der warme Platz am Herd oder Feuer galt an Inbegriff winterlicher Gemütlichkeit, auch wenn er an kalten Tagen nur von vorne warm war. Für die Zugluft und den kalten Rücken am Herdfeuer entschädigten der Flammenschein und das Knistern der brennenden Holzscheite. Die aber waren selbst für Profis nur schwer zu fotografieren. Bei den „Knipsern“ half man sich mit Petroleumlampen und Glühbirnen. Das aber führte meistens zu Überbelichtungen der Personen und besonders der Gesichter.

Bedauernswert erscheinen auf den Fotos die alten Menschen auf dem Lande, die sich aufgrund von Alter oder körperlichen Gebrechen nicht mehr warmarbeiten konnten. In einem Haus ohne Zentralheizung mussten sie sich warm einpacken und sich einen Platz am warmen Herd oder Ofen suchen, wenn sie nicht frieren wollten. Gegen kalte Füße half ein „Stövchen“, gefüllt mit glühenden Holzkohlen, das auf vielen alten Fotos zu sehen ist. Und auf dem Kopf trugen die alten Leute auch im Haus eine Wollmütze oder einen Winterhut.

Marian Schöttmer aus Brockhausen kurz vor ihrem 100. Geburtstag 1937.

Sehr selten sind Fotos von der winterlichen Arbeit im Stall, etwa beim Füttern, bei Tränken oder beim Ausmisten. Hier war es dunkel, dunstig und schmutzig. Keine Umgebung, die man gerne in Fotografien festhält, obwohl die Arbeit hier doch einen wichtigen Teil des bäuerlichen Tagesablaufs im Winter bildete.

Vieh versorgen im Stall in Zwillbrock bei Vreden (um 1950).

Ähnlich wie bei der Konstruktion des Ländlichen in der Fotografie gibt es auch für den „Winter auf dem Lande“ gängige Bildkonventionen. Schnee und Landschaft gehören in jedem Fall dazu, Winterfreuden und die Geselligkeit an kalten Tagen, Pferde und Schlitten sowie Forst und Jagd. Der winterliche Alltag auf dem Lande findet sich auf den Fotos dagegen nur selten dokumentiert.