Vom Besenbinder zum Millionär

05.11.2021 Niklas Regenbrecht

Die Maschinen in der Besenproduktion wurden über Riemen angetrieben. Foto: Kommunalarchiv Herford.

Christoph Laue

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts löste die Faser der Piassava-Palme aus den damaligen Kolonien in Übersee die bis dahin in Deutschland dominierenden Besen aus Birkenreisern ab. Auch in Herford gründeten sich mehrere Fabriken, aus denen schließlich als größte die „Piassavawarenfabrik“ König & Böschke hervorging. Hermann König und Josef Böschke, der als Besenbinder nach Herford gekommen war, gründeten 1893 die Fabrik mit zunächst 30 Arbeitern. 1896 wirkten schon 100 Beschäftigte dort und eine 20 PS-Dampfmaschine trieb die Maschinen an. 1910 hatte die Firma 220 Arbeiter in Herford und weitere 100 in Filialbetrieben in Enger und Detmold. Man betrieb schon eine 75 PS Dampfmaschine sowie eigene Dynamos zur Herstellung der benötigten Elektrizität und hatte eine eigene Fabrikfeuerwehr. Das Firmengelände zwischen Engerstraße und Diebrocker Straße hatte schon die Fläche von 26.000 Quadratmetern, von denen 6.100 mit den Verwaltungs- und Betriebsräumen bebaut waren.

Bei König & Böschke fanden auch viele Frauen Lohn und Brot. Zwischen den Arbeitsplätzen sind Besen aufgestapelt. Foto: Kommunalarchiv Herford.

Die Arbeiter richteten Piassavafasern und ermöglichten so eine „Massenfabrikation von Besenteilen und fertigen Besen“, wie es in einer Broschüre von 1910 heißt. Eine Spezialität aus dem teuersten Rohstoff war der „Bahia-Piassava“ aus Südamerika. Aber auch aus Afrika wurde der Rohstoff importiert, der laut damaliger Firmenpräsentation „zum größten Teil in der Negerrepublik Liberia gewonnen wird“. Er musste aber eingefärbt werden. Auch aus Madagaskar wurde eingeführt. Aus Indien bezog die Firma Palmyrafaser, aus anderen Ländern Cocosfasern. Aber auch tierische Fasern wurden verarbeitet.

Luftbild der Firma König & Böschke an der Engerstraße in Herford. Foto: Kommunalarchiv Herford.

Ein Katalog aus den 1920er Jahren zeigte auf 72 Seiten das Sortiment von „Deutschlands größter Piassavabesen- und Haushaltungsbürstenfabrik“: „Piassava- und Cocoswaren, Roßhaarartikel, Glanz- und Kleiderbürsten, Fibrewaren, Wurzel- und Bassinewaren, Bürstenwaren, Pinsel für Haushalt, Maler, Industrie und Deckenbürsten.“ Abnehmer waren vor allen das Militär, die Eisenbahnen und Stadtverwaltungen, denn König & Böschke bot auch Besenrollen für Straßenkehrmaschinen an.

Hermann König starb schon 1911, sein Sohn 1913. Josef Böschke zog sich mit dem Verkauf an Georg Blumenthal 1921 aus der Firma zurück, der Markenname blieb auch nach der Umwidmung in eine AG 1922. Blumenthal starb bereits 1931 und ist mit seiner 1948 verstorbenen Frau Aenne auf dem jüdischen Friedhof in Herford begraben. Die Firma wurde als AG weitergeführt.

Die Fabrik wurde 1944 im Zweiten Weltkrieg von Bomben getroffen. Foto: Kommunalarchiv Herford.

1944 zerstörten alliierte Bomben 80 Prozent des Betriebes. Bis 1948 war er aber schon wieder auf 108 Arbeiter angewachsen. 1960 wurde die Traditionsfirma unter gleichem Namen in den Verband der „Hessischen Holzwerke Heinrich Scherf GmbH“ aus Wald-Michelbach übernommen, deren Markenname in den 1970er Jahren „Coronet“ wurde. Ab Mitte der 1960er Jahre gab es große Schwierigkeiten, an die Rohstoffe zu kommen. Der Betrieb wurde zusätzlich auf die Nutzung der neuen PVC-Fasern umgestellt. Coronet ging 2005 in Insolvenz, und auch die Firma „Coronet König & Böschke GmbH“ wurde 2006 nach Konkurs liquidiert. Die Nachfolgefirma „König & Böschke GmbH“ wurde 2012 endgültig gelöscht. Den Markennamen Coronet nutzt eine Firma in Sprockhövel bis heute. Ein früherer Mitarbeiter von König und Böschke hat Teile des Firmenarchivs einschließlich historischer Fotos an das Kommunalarchiv Herford übergeben.

Zuerst erschienen in: HF-Magazin. Heimatkundliche Beiträge aus dem Kreis Herford, Nr. 118, 15.09.2021, herausgegeben von der Neuen Westfälischen.

Link: https://www.kreisheimatverein.de/wissen/hf-magazin/

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