Vom Flachs zum Leinen
Die Schülerin Elisabeth Hippe und ihre Projektarbeit (um 1940)
Sebastian Schröder
Einst waren das Ravensberger und das Tecklenburger Land Hochburgen der Leinenherstellung. Deshalb verwundert es nicht, wenn auf den bäuerlichen Besitzungen Ravensbergs Flachs und Leinen auch in jener Zeit noch nicht in Vergessenheit geraten waren, als seit dem 19. Jahrhundert Wolle und Baumwolle ihren Siegeszug angetreten hatten – für den Hausgebrauch war der Flachs ohnehin bis ins 20. Jahrhundert weiterhin üblich. Spinnräder, Haspel und Webstühle erinnerten an den vormals so lukrativen Gewerbezweig – auch auf dem Hof Hippe, Holzhausen Nr. 8, der in der Nähe Preußisch Oldendorfs im damaligen Kreis Lübbecke lag.
1926 wurde den Eheleuten Heinrich und Luise Hippe, geborene Horstmeyer, eine Tochter geboren: Elisabeth. Ab 1932 ging sie in die Holzhauser Volksschule und besuchte diese Lehranstalt insgesamt acht Jahre lang. Während ihrer Schulzeit, vermutlich Ende der 1930er-Jahre, musste sie ein Gruppenarbeitsheft führen, das sich bis heute im Hofarchiv erhalten hat. Das Thema lautete: „Der Flachs“. Aber warum beschäftigte sich das Mädchen gerade mit diesem Gegenstand? Darüber gibt Elisabeth Hippe selbst in der Einleitung Auskunft; der allgegenwärtige nationalsozialistische Zeitgeist tritt dabei deutlich zum Vorschein: „In Deutschland gebrauchen wir viel Wolle und Baumwolle. Dieses ist in Deutschland aber sehr wenig. Dann müssen wir sie einführen. Dazu gebrauchen wir aber Deviesen [sic!] und die müssen jetzt für andre Dinge gebraucht werden. Darum ist der Flachs sehr notwendig und Flachsanbau sehr wichtig.“
Das NS-Regime propagierte, dass das Deutsche Reich unabhängig von Exportgütern sein solle. Dieser Gedanke wurde auch den Schülern eingeschärft. Denn die Devisen hatten nunmehr für andere Zwecke eingesetzt zu werden – nämlich für die Kriegsvorbereitungen. Diese ideologiegesteuerte Wirtschaftspolitik führte jedoch dazu, dass einige Güter nicht mehr verfügbar waren – in diesem Fall die Baumwolle. Ersatzprodukte waren vonnöten. Die Nationalsozialisten besannen sich darauf, dass in der Vergangenheit Kleidung aus Flachs hergestellt wurde. Der Leinenfertigung sollte deshalb zu neuer Blüte verholfen werden.