Michael Rosenkötter
Am 8. Januar 1826 erschien in der „Düsseldorfer Zeitung - Politisches, Unterhaltungs- und Anzeige-Blatt“ folgende kurze Meldung:
„Se. k. k. Maj. von Oestreich haben nachfolgendes ausschließende Privilegium zu verleihen geruht: Dem August Löhner, Kleinuhrmacher in Wien, Vorstadt Thury Nr. 1., für eine Dauer von 5 Jahren, auf die Erfindung: mechanischer Räderschuhe, mit denen man auf gebahnten Straßen ohne große Anstrengung eben so schnell, ja noch schneller als mit Schlittschuhen auf dem Eise, sich fortbewegen, dabei auch bergauf- und bergabwärts gehen, sich nach allen Richtungen hinwenden und an jeder Stelle im Laufe sich aufhalten könne, daher solche hauptsächlich dazu geeignet seyen, um damit in einer kurzen Zeitfrist größere Strecken zu durchlaufen.“
Zwei Wochen später vermeldete das „Bonner Wochenblatt“ ausführlicher:
„Ein Wiener Uhrmacher, Namens August Löhner, dem Vernehmen nach ein Würtemberger, erhielt vor Kurzem, in Folge kaiserl. Privilegiums, auf fünf Jahre ein ausschließendes Patent zu Verfertigung von ihm erfundener mechanischer Räderschuhe, die mit Recht allgemeines Aufsehen erregen, und, wie die Ueberzeugung lehrt, um so mehr Beachtung verdienen, als die Anwendung derselben zu den verschiedensten und mannigfaltigsten Zwecken Nutzen zu verheißen scheint. Diese Schuhe dürften um so füglicher Roll-, Schnell-, Eil- oder auch sogar Meilenschuhe genannt werden, da man mit denselben auf jedem gebahnten, ebenen oder unebenen (nur nicht steilen) Wege, zu jeder Jahreszeit in einer halben Stunde die unglaubliche Strecke von einer deutschen Meile zurücklegen, jeder Hemmung durch plötzliche Wendung pfeilschnell ausweichen, über mäßige Erhöhungen auf, und abfahren, und nach Belieben jeden Augenblick im schnellsten Laufe innehalten kann. Die Idee dazu ist wahrscheinlich von jener der Schlittschuhe entlehnt, das Ergebniß aber übertrifft letztere nicht nur durch weit größere Schnelle, durch mannigfaltigere Anwendbarkeit und Nützlichkeit, sondern auch dadurch, daß der Gebrauch derselben mit weit weniger Gefahr verbunden ist. Abgesehen von den Vortheilen, welche diese Erfindung vielleicht dereinst auch der Haushaltungs- und Kriegskunst gewähren dürfte, verdient solche auch schon als höchst schätzbares Gesundheitsmittel Eltern, Erziehern und Aerzten nachdrücklich empfohlen zu werden. Sollte aber der alte Schlendrian auch dieser Erscheinung nicht mehr Verdienst, als jenes des Vorwärtseilens zuzugestehen geneigt seyn, so verdient ja doch die Kunst: ohne Anstrengung und Gefahr mit Reitenden und Fahrenden zu Fuße gleichen Schritt zu halten, freundlicheren Beifall, als die, gar Manchem wünschenswerther scheinende Fähigkeit verdienen würde die muntere lichtanstrebende Gegenwart mit einem Ruck ein halbes Jahrtausend zurück zu schieben.“
Diese Meldungen passen in eine Zeit, in der die Menschen allgemein das Gefühl hatten, das alles schnell gehen müsse: Die „Raschheit, und oft auch Übereilung, überhaupt“ könne „als ein charakteristisches Merkmal unserer Zeit gelten“, schrieb die „Neue Düsseldorfer Zeitung“ am 17. Mai 1825. Wir haben „Schnellposten, Schnellfuhren auf Eisenbahnen, Schnellschiffe, Schnellschreiber, Schnellpressen und andere Schnellmaschinen, Schnellreiche (parvenus) und noch mehrere dergleichen Schnell- (manchmal auch unreife) Produkte […], und wer, weiß, welche Schnellmittel das rasche Treiben des Erfindungsgeistes unserer Zeit noch zu Wege bringen mag.“
Laut Digitalem Wörterbuch der Deutschen Sprache wurden die Worte schnell und Schnelligkeit nie so häufig gebraucht wie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es war, wie wir heute sagen würden, eine rasante gesellschaftliche Veränderung.
Von den Räderschuhen berichteten die Zeitungen im nordrhein-westfälischem Raum nie wieder. Aber ein halbes Jahrhundert später, am 24.8.1876, meldete die „Wattenscheider Zeitung“: „In Barmen ist am Sonntag unter sehr großer Betheiligung des Publikums eine Rollschuh-Bahn (Skating-Ring [sic!]) eröffnet worden.“
Eine Woche später erschien in der Dortmunder Zeitung diese Kleinanzeige: