Vom Zahnausziehen, Aderlassen und Blutegel-Setzen
Das aus der Mode geratene Handwerk der Barbiere
Dörte Hein
Wer glaubt, Barbiere verstanden sich traditionell ausschließlich auf die Rasur und den Herrenhaarschnitt, der hat weit gefehlt. Eine von der Königlichen Regierung zu Münster für den Barbier Heinrich Köhling zu Werne 1866 ausgestellte Konzession zur Ausübung seines Gewerbes zeigt anschaulich, welche Tätigkeiten ein Barbier um die Mitte des 19. Jahrhunderts ausübte. In der Urkunde bestätigte der Kreisphysikus und Sanitätsrath Dr. Wilckinghoff zu Nordkirchen dem Barbier seine erfolgreich in dem hauptsächlich medizinisch geprägten Fach abgelegte Prüfung. Das Schriftstück – gefunden in der Schriftensammlung des Archivs für Alltagskultur in Westfalen – beweist die enorme Aufgabenvielfalt des Barbierberufs, die sich aus einer langen Tradition dieses „Körperpflege-Handwerkes“ ablesen lässt.
Zusammen mit den Badern bildeten die Barbiere im Hoch- und Spätmittelalter das Chirurgenhandwerk, das neben pflegerischen Tätigkeiten wie Kopfwaschen, Kämmen, Haareschneiden und Rasieren auch einfachere medizinische Arbeiten einschloss. So betätigten sich Barbiere in der damals sehr beliebten therapeutischen Blutentziehung, wozu das Schröpfen und Aderlassen zählte, in der Wundversorgung und im Zähneziehen. Unser Barbier Heinrich Köhling durfte laut seiner Konzession darüber hinaus auch „warme und kalte Umschläge“ anlegen sowie „erste Hülfe bei Scheintodten“ durchführen. Auch die „Pflege unruhiger (tobsüchtiger) Kranken“ wurde ihm gestattet.