Andreas Eiynck
Genau 75 Jahre ist es in diesen Tagen her, seit im Februar 1946 zahlreiche Flüsse in Nordwestdeutschland über die Ufer traten. Städte und ganze Landstriche wurden überflutet. Die Katastrophe traf die Bevölkerung besonders hart, denn das Kriegsende lag erst wenige Monate zurück und damit auch der totale Zusammenbruch der Kriegswirtschaft und der Versorgungseinrichtungen. Brennstoffe waren im ersten Kriegswinter äußerst knapp, Lebensmittel ohnehin. Viele Städte waren ausgebombt und Hausrat aller Art war Mangelware.
Dann kam auch noch die große Flut und vernichtete die in den Kellern lagernden Brennstoffvorräte und Lebensmittel, zerstörte die Einrichtungen in den Erdgeschossen und richtete auch an der öffentlichen Infrastruktur schwere Schäden an.
Nach der Schneeschmelze und tagelangen Niederschlägen Anfang Februar war der Boden bereits mit Regenwasser gesättigt und die Flüsse angeschwollen, als großflächig starker Regen einsetzte. Nun traten die Flüsse über die Ufer. Weser und Leine, aber auch Ems, Berkel und Aa, Vechte und Dinkel. Städte wie Borken, Bocholt und Anholt an der Aa, Coesfeld, Stadtlohn und Vreden an der Berkel, allesamt vom Bombenkrieg zerstört, soffen regelrecht ab. Auch große Teile der Provinzhauptstadt Münster standen unter Wasser. Eingestürzte Brücken und Trümmerschutt behinderten den Wasserablauf zusätzlich, waren aber nicht die eigentliche Ursache der Naturkatastrophe.
Entlang der Ems, des längsten Flusses im Münsterland, setzte sich eine regelrechte Flutwelle in Bewegung, deren Verlauf später an den aufgezeichneten Pegelständen ablesbar war. Der Scheitelpunkt der Hauptflutwelle erreichte am 9. Februar um 2 Uhr nachts den Schlosspark in Rheda und um 18 Uhr Telgte, am Tag darauf um 2 Uhr Greven, gegen 10 Uhr Emsdetten und um 20 Uhr Rheine. Am Emswehr in Hanekenfähr bei Lingen wurde der Höchststand am 11. Februar um 12 Uhr und in Meppen am 12. Februar um 1 Uhr nachts gemessen. Am 13.2. gegen 10 Uhr erreichte die Hauptflutwelle Papenburg und um 16 Uhr Leer, am 14.2. um 2.30 Uhr dann die Seeschleuse in Emden.
Die Katastrophe war also absehbar. Doch die Behörden, die für den Warndienst zuständig waren, hatte man beim Kriegsende teilweise aufgelöst oder sie waren technisch und organisatorisch noch nicht wieder handlungsfähig. Vor allem mangelte es an der überregionalen Koordination. Daher kam die Flut für die örtlichen Behörden in Warendorf und Telgte, Greven und Rheine ziemlich überraschend und es blieb nur die Evakuierung der flussnahen Stadtviertel und Bauernhöfe.