Vor dem Vergessen gerettet: Rechnungsbücher, Briefe, Poesiealben und Bierzeitungen aus Privatbesitz werden künftig im Archiv für Alltagskultur aufbewahrt

20.06.2023 Niklas Regenbrecht

Christiane Cantauw (li) und Anneli Hegerfeld-Reckert bei der Übergabe eines Personenbestands an das Archiv für Alltagskultur der Kommission Alltagskulturforschung (Foto: Wiegard).

Christiane Cantauw

Was soll mit den (Geschäfts)Unterlagen, Fotoalben, Tage- und Haushaltsbüchern meiner Vorfahren geschehen, wenn diese verstorben sind oder in ein Altersheim umziehen müssen? Das hat sich auch Anneli Hegerfeld-Reckert, die Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im LWL gefragt und Kontakt aufgenommen zur Kommission Alltagskulturforschung. Die Kommission bewahrt im Archiv für Alltagskultur unter anderem private Nachlässe auf.

„An den Quellen in unserem Archiv lassen sich viele alltagskulturelle, wirtschaftshistorische oder soziale Veränderungsprozesse ablesen“, weiß Christiane Cantauw, Geschäftsführerin der Kommission Alltagskulturforschung. „Wenn man beispielsweise eine Abiturzeitung von 1909 mit ihrem Pendant von 2009 vergleicht, wird deutlich, dass wir es nicht nur mit anderen Voraussetzungen, sondern – damit zusammenhängend – auch mit einem anderen Selbstverständnis der Akteure zu tun haben.“  

Viele historische Dokumente, die sich in Privathaushalten befinden, werden leider bei Haushaltsauflösungen vernichtet. „Das geschieht nicht aus Böswilligkeit oder Ignoranz, sondern, weil die Nachfahren von der Menge an Unterlagen überfordert oder auch der Meinung sind, dass Haushaltsbücher, Familienfotoalben oder beispielsweise die Geschäftsbücher eines kleinen Lebensmittelgeschäfts historisch nicht von Bedeutung sind“, erläutert Cantauw.

Anschreibebücher und Rechnungsbücher sind eine spannende Quelle der Wirtschaftsgeschichte (Foto: Wiegard).

Die Unterlagen aus Privatbesitz gehören zum kulturellen Erbe unserer Region. Sie werden nicht nur für die Zukunft aufbewahrt, sondern sie sind bereits jetzt eine wichtige Quelle für die Forschung. Das dokumentiert sich beispielsweise in dem jährlich erscheinenden Magazin Graugold (print) oder auch im Alltagskultur-Blog (digital), die von der Kommission verantwortet werden. „Die verschiedenen Veröffentlichungsformate der Kommission zeigen die historische und gegenwärtige Alltagskultur. Das ist sehr vielseitig und anregend. Nicht zuletzt verstehen wir das auch als ein Informations- und Vernetzungsangebot“, erklärt Christiane Cantauw.

Aufbewahren, Dokumentieren und Erforschen sind letztlich auch eine Form der Wertschätzung: „In den Dokumenten aus dem beginnenden 20. Jahrhundert, die ich der Kommission übergeben habe, spiegelt sich das Leben meiner Vorfahren, ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage ebenso wie ihre sozialen Beziehungen, ihr Freizeitverhalten, ihre Werthaltungen und vieles mehr. Mir liegt daran, dass von ihrem Leben etwas bleibt. deshalb freue ich mich, dass die Unterlagen von nun an im Archiv aufbewahrt werden“, sagt Hegerfeld-Reckert.

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