Die kleine Schwester der Eisenbahn: Eine Wanderausstellung des LWL zeigt die facettenreiche Geschichte der Feldbahn

10.09.2021 Niklas Regenbrecht

Eine der letzten Feldbahnen mit Dampflokeinsatz fuhr im Kalkwerk in Halle-Künsebeck. 1966 überquert eine der Loks – von zwei Posten gesichert – die Bundesstraße 68 auf dem Weg zum Steinbruch. Foto: H. Beyer.

Lutz Volmer

Feldbahnen leisteten seit dem späten 19. Jahrhundert bis etwa 1950 viel von dem, was heute mit Gabelstaplern oder Lastwagen erledigt wird. Die kleine Schwester der Eisenbahn besaß eine erhebliche Flexibilität, denn ihre Gleise waren ohne großen Aufwand verlegbar, was sie für viele Gewerbe und Industriebetriebe äußerst attraktiv machte. Sie war nicht nur ein wichtiges Arbeitsmittel, sondern prägte vielfach Orts- und Landschaftsbilder. Eine detailreiche Ausstellung tourt nun unter dem Titel „Feldbahngeschichten. Technik und Einsatz eines universellen Verkehrsmittels“ durch Westfalen.

Die Ausstellung zeigt mit oft über 100 Jahre alten historischen Fotos die vielfältigen Einsatzgebiete der Feldbahnen in Industrie und (selten) Landwirtschaft in Westfalen und Lippe anhand von rund 40 Beispielen. Die Einsatzmöglichkeiten erstrecken sich vom Bergbau, wo nach allem, was wir wissen, die Anfänge der Schmalspurbahnen in Westfalen liegen, über die Stahlindustrie bis hin vor allem zu Ziegeleien, Steinbrüchen, Torfwerken und (temporär nach dem Zweiten Weltkrieg) Trümmerbahnen bis hin zu „Hausrollbahnen“ in Hinterhöfen einiger Unternehmen.

Feldbahnen werden auf eine Erfindung des französischen Gutsbesitzers Paul-Armand Decauville zurückgeführt, der 1875 für die Ernte auf seinem Gut ein Transportsystem suchte. Er entwickelte ein transportables, leicht verlegbares Schienen- und Fahrzeugsystem, das sich für seine Zwecke als praxistauglich erwies. Von diesen Ursprüngen in der Landwirtschaft her stammt auch der Name „Feldbahn“. Ein weiteres, noch früheres Einsatzgebiet kleinspuriger Bahnen war der Bergbau an der Ruhr. Hier gab es sogar bereits im 18. Jahrhundert Holzschienensysteme mit Wagen für den Kohlentransport unter und über Tage. Schon 1790 begann man, Eisenstücke auf die Holzschienen zu nageln, so dass aus der „Holzbahn“ eine Eisenbahn wurde. Zunächst bewegten auch Pferde und Ochsen die Wagen dieser Grubenbahnen. Relativ früh gab es untertage bereits Bahnen mit elektrischem Antrieb – und mit abenteuerlich geringen Sicherheitsstandards.

Originale Feldbahn-Bestandteile im Bauernhausmuseum Bielefeld. Beim Aufbau erwies sich auch hier die flexible Verlegung der „fliegenden“ Gleise als durchaus einfach. Im Vordergrund ein Wagen zum Holztransport. Foto: Lutz Volmer, BauernhausMuseum Bielefeld.

Bald wurden mit fortschreitender Industrialisierung die schnell verlegbaren Gleise, meistens mit Kipploren-Waggons auf Baustellen, in Wäldern, beim Torfabbau und in Ziegeleien eingesetzt. Die Wagen wurden überwiegend von Hand geschoben, was ohne allzu großen Kraftaufwand möglich war, auch über manchmal nur provisorisch zusammengefügte Gleisverbindungen hinweg. Die Alternativen waren um 1900 denkbar schlechte: Wagen oder Karren mit eisenbeschlagenen Holzrädern mussten nicht selten auf unebenen, im Winter aufgeweichten Untergründen bewegt werden. Für Menschen und Tiere bedeutete das einen immensen Kräfteverschleiß und auch die eingesetzten Verkehrsmittel litten unter der hohen Beanspruchung. Unter diesen Umständen war die Verfügbarkeit einer Feldbahn eine große Erleichterung, selbst wenn sie zunächst durchweg von Menschen geschoben wurden. Bald zogen auch Pferde und Ochsen die Feldbahnen. Größere Betriebe hatten für ihre firmeneigenen Feldbahnen in der Anfangszeit schon Dampfloks, in Einzelfällen sogar vor dem Ersten Weltkrieg bereits E-Loks, später durchweg Dieselloks.

Die Feldbahnen fuhren auf allen großen, manchmal auch kleinen Baustellen für Tiefbauarbeiten, halfen beim Bau von Schifffahrtskanälen und den ersten Autobahnen. Auch das Militär nutzte die neue Technik im Ersten Weltkrieg zur Nachschubversorgung. Trümmerbahnen transportierten die Schuttberge nach 1945 aus den großen Städten. Torfbahnen ermöglichten den industriellen Abbau der trockengelegten Moore. In landwirtschaftlichen Betrieben waren Feldbahnen dagegen in Westfalen eine isolierte Ausnahmeerscheinung.

Bald nach dem Zweiten Weltkrieg bekamen Feldbahnen ernstzunehmende Konkurrenz. Gummibereifte Fahrzeuge boten vielfältige Vorteile und setzten sich immer weiter durch. Seit den 1960er Jahren kamen Gabelstapler, Förderbänder und Lastwagen auf. Nur im Torfabbau in Niedersachsen werden die Feldbahnen weiterhin eingesetzt. In Westfalen sind Feldbahnen einer breiteren Öffentlichkeit nur noch anhand der Museumsfeldbahnen wie etwa in Gütersloh (Dampfkleinbahn Mühlenstroth), in Lage/Kreis Lippe (LWL-Ziegeleimuseum) oder in Lengerich/Kreis Steinfurt (Westfälisches Feldbahnmuseum) bekannt.

Im Hartsteinwerk der Landmaschinen-Fabrik Claas in Harsewinkel. Die Feldbahnlok war übrigens eine Eigenkonstruktion der Firma, wohl 1950er Jahre.

In Bielefeld scheint sich die Situation nicht viel von anderen Orten in Westfalen-Lippe unterschieden zu haben. Zu den gut dokumentierten Feldbahnen gehören vor allem Anlagen von Ziegeleien. Die Ziegeleien in Bethel, den von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld-Gadderbaum, gehen auf ein bereits im 18. Jahrhundert ausgebeutetes Tonvorkommen zurück. Die eine der zwei Ziegeleien wurde 1879 von Bethel übernommen, die zweite 1892. Beide Einrichtungen wurden aber dauerhaft getrennt betrieben. Die Ziegelei I baute ihren Ton relativ flach ab, so dass die mehr als ein Kilometer lange Feldbahn regelmäßig dem Abbauverlauf angepasst werden musste. Ziegelei II besaß eine tiefe Grube direkt neben dem Werk mit Schrägaufzug, Loks kamen hier nicht zum Einsatz. 1968 bzw. 1961 endete der Betrieb.

1896 eröffnete die Ziegelei Bracksiek in Bielefeld-Schildesche. Die Ziegeleibahn war nur kurz und kam mit vier Weichen und einer Drehscheibe aus. Alle Loren wurden von Hand geschoben. Den Weg aus der Grube heraus zur Ton-Aufbereitung legten die Loren an ein Drahtseil gehängt und gezogen zurück.

Die „Bielefelder Hartsteinwerke“ in Brackwede stellten seit 1912 Kalksandsteine her. Als 1951 eine neue Fläche zur Sandabgrabung erschlossen wurde, musste die Firma auf ein Gebiet am Senner Hellweg, vier Kilometer außerhalb ihres Betriebsgeländes, zurückgreifen. Hier wurde mit Hilfe einer Planierraupe eine Trasse für die Feldbahn erstellt. Die eingesetzten Deutz-Loks besaßen immerhin ein Gewicht von fast 8 Tonnen. Der Betrieb endete 1972.

Das Bielefelder Baugeschäft Mönnich ist ein Beispiel für den Einsatz einer Feldbahn nicht im Tiefbau, sondern im Hochbau: Bevor sich Betonpumpen durchsetzten, war das Verbringen von flüssigem Beton an seine Verwendungsstelle Knochenarbeit: Die Arbeiter trugen ihn in kleinen Gefäßen auf den Schultern. Die Verwendung von großen Kipploren, fliegenden Gleisen und Drehscheiben (wichtig zum Manövrieren auf engem Raum) war eine große Arbeitserleichterung.

Die Wanderausstellung des LWL basiert auf jahrelanger Forschungsarbeit von Rüdiger Uffmann, pensionierter Werkstattleiter des Historischen Museums Bielefeld sowie Feldbahn-Sammler, und Dr. Burkhard Beyer, Geschäftsführer der Historischen Kommission für Westfalen. Sie haben zunächst 2019 für das LWL-Ziegeleimusuem Lage eine Sonderausstellung erarbeitet, aus der schließlich eine Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes für Westfalen hervorging. Die Präsentation der zahlreichen originalen Feldbahn-Loren und Gleise am Standort Bielefeld ist nur durch die Heimatpflege-Kulturförderung der Stadt Bielefeld möglich. Der Historische Verein für die Grafschaft Ravensberg, die Feldbahnfreunde Lippe e.V., das LWL-Ziegeleimuseum Lage und zahlreiche weitere Archive und Privatpersonen haben sämtlich zum Gelingen beigetragen.


Weitere Stationen der Ausstellung:
Die Ausstellung tourt noch bis Oktober 2022 durch sechs weitere Museen, zunächst im Museum Wilnsdorf, ab 3. Oktober 2021.


„Feldbahngeschichten. Technik und Einsatzes eines universellen Verkehrsmittels“
Eine Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes für Westfalen in Kooperation mit der Historischen Kommission für Westfalen und dem LWL-Industriemuseum Ziegelei Lage

BauernhausMuseum Bielefeld, Dornberger Straße 82, 33619 Bielefeld

Kategorie: Ankündigungen

Schlagworte: Museum · Lutz Volmer · Verkehr