Was ist ein Dusdeel?
Flurbezeichnung als Quelle der Vegetationsgeschichte
Christof Spannhoff
Nördlich der Ortslage Brochterbecks erstreckt sich der bewaldete Südwesthang des Teutoburger Waldes mit Königsstein und Dreikaiserstuhl, der durch ein „Teutoschleifchen“ erwandert werden kann. Die Deutsche Grundkarte nennt für dieses Gebiet die Flurnamen „Dusdeele“ und „Dusdeelkamp“. Doch was bedeutet diese Flurbezeichnung und was kann sie uns über die Vergangenheit erzählen?
Hat der Bestandteil Dusdeel- möglicherweise etwas mit der niederdeutschen Deele, Diele – der Tenne – zu tun oder wurde hier vormals Holz für Dielenbretter gewonnen? Auch der Blick in ein altes Wörterbuch, in das sogenannte „Idioticon Osnabrugense“, ein vom Osnabrücker Gymnasialrektor Johann Christoph Strodtmann (1717–1756) im Jahr 1756 verfasstes Lexikon der regionalen Mundart, zeigt, dass die Frage nicht so einfach zu beantworten ist. Dort heißt es: „Dusdeel: so nennen die Bauren ihr privatives Holz oder Plaggentheil, oder gewisse Stücke Landes, die mannigmal mit Holz bewachsen sind, mannigmal auch nicht. Doch werden sie nicht gepflüget, und es wächst schlecht Gras darauf. Man treibt das Vieh darauf. Es scheinet dies Wort Land zu bedeuten, das zum Pflügen ungeschickt ist. Die wahre Bedeutung ist schwer zu bestimmen“.
Allerdings weiß ein gut 50 Jahre später erschienenes Handbuch Rat, das sich mit rechtsgeschichtlichen Begriffen der Region befasst und vom Osnabrücker Juristen Johann Ägidius Klöntrup um 1800 verfasst wurde. Klöntrup gibt an: „Wer ein Dustheil in der Mark hat, ist blos zur Nutzung des Unterholzes berechtigt, denn Dustholz ist Unterholz.“ Und weiter: „Wer blos ein Dustheil in der Mark hat, darf darin keine Eichen und Buchen pflanzen, weil er sich sonst mit der Zeit auch die Mast anmaßen könnte.“ Es handelte sich bei einem Dusdeel oder besser Dustdeel also um einen Teil der gemeinen Mark (Allmende), der für eine bestimmte Nutzung durch die berechtigten Bauern vorgesehen war, in diesem Fall der Gewinnung von Holz, das als minderwertig angesehen wurde und als Brennholz oder zur Herstellung von Zäunen, Besen (Reisig) oder ähnlichem diente. Dazu gehörten Erlen, Birken, Haseln, Hainbuchen oder Weiden. Das Gegenstück zum Dustholt war das Blomholt, das fruchttragende Holz, also vor allem Eichen, Buchen und Eschen. Diese dienten auch der Viehmast, vor allem der Schweine, die die Eicheln und Bucheckern fraßen. Im ersten Teil von Blomholt steckt übrigens wirklich die Blume, plattdeutsch Blome, bzw. das Blühen, plattdeutsch Blomen, wie die lateinische Übersetzung in mittelalterlichen Schriftstücken mit flos, floris ‚Blume, Blüte‘ bzw. florus, flora, florum ‚blühend‘ zeigt.
Das Wort Dus(t)deel setzt sich zusammen aus den Bestandteilen Dust- und -deel. Letzteres ist die niederdeutsche Bezeichnung für einen Teil, einen Anteil, hat also mit der Deele, Diele nichts zu tun. Der erste Teil Dust- kommt auch in Begriffen wie Dustholt oder dustig Holt ‚minderwertiges Holz, das keinen hohen Brennwert hat‘, dusdig, dusthaft ‚schlecht‘ und Dust ‚Staub, Dunst, Spreu, leeres Getreide, Hülsen‘ vor. Das niederdeutsche Wort Dust entspricht somit dem hochdeutschen Dunst, was sich auch lautgeschichtlich erklären lässt. Denn in den nordseegermanischen Sprachen, also dem Altenglischen, Altfriesischen und dem Altniederdeutschen schwindet ein n vor einem Reibelaut, also vor s, f und th (dem heute noch im Englischen vorhandenen stimmhaften und stimmlosen Reibelaut). Daher erklärt sich auch der Unterschied zwischen hochdeutsch fünf, niederdeutsch fief, englisch five oder hochdeutsch Gans, niederdeutsch goos, gaus, englisch goose. Zurück geht niederdeutsch Dust auf germanisch *dunsti-, *dunstiz ‚Dunst, Staub‘. Im Niederländischen und Englischen entspricht heute dust ‚Staub‘, im Dänischen dyst ‚feines Mehl, Staubmehl‘. -dust ist zudem im Brochterbecker Flurnamen „Binnendust“ südlich der Dustdeele enthalten.
Anders als heute haben also im Brochterbecker Dusdeel zum Zeitpunkt der Benennung keine Eichen, Buchen oder Eschen gestanden, sondern Vegetation, die von den damaligen Menschen als „Dustholt“ klassifiziert wurde. Erst durch die Markenteilung in den 1830er-Jahren gingen die Flächen in privates Eigentum über und konnten ohne Einschränkungen genutzt und bepflanzt werden. Somit ist der Flurname auch eine Quelle für die örtliche Vegetationsgeschichte.
Quellen:
Johann Aegidius Klöntrup, Alphabetisches Handbuch der besonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück. Mit Rücksicht auf die benachbarten westfälischen Provinzen, 3 Bde., Osnabrück 1798–1800.
Johann Christoph Strodtmann, Idioticon Osnabrugense. Ein Hochzeits-Geschenk an den Herrn Professor und Consistorial-Assessor Schütze bey der Verbindung desselben mit der Demoiselle Esmarchinn, Leipzig u. Altona 1756.
Karl Schiller u. August Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, 6 Bde., Bremen 1875–1881.