Was sind eigentlich Kniepsüels?

24.01.2020

Königskette des Sparclubs Kniepsüels. Der Sieger des jährlichen Kegelturniers musste einen neuen Anhänger stiften. Foto: Cantauw/LWL.

Niklas Regenbrecht

„Kniepsüels“ klingt nach Sülze, hat allerdings nichts mit Lebensmitteln zu tun. Sehr wohl aber besteht eine Verbindung zu dem Begriff „kniepig“ im Sinne von sparsam bis geizig. Im Singular wird mit Kniepsüel mundartlich eine äußerst sparsame, meist weibliche Person bezeichnet. Die Pluralform, also Kniepsüels, hat sich ein mittlerweile aufgelöster Verein aus Havixbeck bei Münster als Vereinsname ausgesucht.

Das Archiv für Alltagskultur in Westfalen hat es sich zur Aufgabe gemacht, Vereinsüberlieferungen zu sammeln und zu bewahren, um regionale Vereinslandschaften und Vereinskulturen perspektivisch abbildbar und erforschbar zu machen. Darunter befinden sich bislang teilweise ganze Vereinsarchive und in größerer Zahl fragmentarische Überlieferungen zu einzelnen, häufig nicht mehr existierenden, Vereinigungen. Nicht nur größere Vereine, die mitunter so etwas wie eigene Vereinsarchive unterhalten, sind Ziel dieser Bemühungen, sondern gerade auch kleine Zusammenschlüsse, deren Unterlagen nicht selten prekär untergebracht sind und gerade bei Vereinsauflösungen häufig schlicht weggeworfen werden.

Geringe Sparsummen und Strafzahlungen. Entleerungsliste vom 6. Januar 1966, ausgefüllter Vordruck. Foto: Regenbrecht/LWL.

Einer dieser kleinen Vereine war der „Sparclub Kniepsüels Havixbeck“, der von 1964 bis 2008 bestand. Erste Arten von Sparvereinen wurden bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet. So genannte Kneipensparvereine, wie das vorliegende Beispiel, waren jedoch ein Phänomen vor allem der 1960er und 1970er Jahre. Sparen wurde in den Vereinen mit Geselligkeit verbunden. In den Vereinslokalen, meist kleinen Eckkneipen, wurden Sparschränke aufgehängt. Jedes Mitglied hatte nun in einem festgelegten Turnus einen Mindestsparbetrag in bar in sein persönliches Sparfach einzuwerfen. Strafzahlungen, etwa für das Versäumen der monatlichen Leerungen, vergrößerten den Sparbetrag zusätzlich. Am Jahresende wurden die Summen plus Verzinsung ausgeschüttet und standen den Mitgliedern zur freien Verfügung. Trotz des Wettbewerbs die höchste Jahressparsumme zu erreichen („Sparkönig“), stand bei vielen Vereinen eher die Geselligkeit im Vordergrund. Die Mitgliederzahlen solcher Vereinigungen waren gewissermaßen schon durch die Sitzplätze in der Kneipe begrenzt. Im Fall von „Kniepsüels Havixbeck“ war sie satzungsgemäß auf 12 bis 17 Mitglieder festgelegt. Lange Jahre gab es mehr Interesse an einer Mitgliedschaft als Plätze. Dies änderte sich im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts: Aus Mangel an Mitgliedern löste der Verein sich schließlich auf. In Zeiten von Kneipensterben und Null- bis Negativzinsen sind Sparclubs ein verschwindendes Phänomen.

Satzungsvordruck eines Herstellers von Sparschränken mit Abbildung eines solchen. Foto: Regenbrecht/LWL.

Im Jahr 2015 gelangten die Vereinsunterlagen ins Archiv für Alltagskultur in Westfalen. Der Bestand enthält vereinstypische Dokumente wie Protokolle, Satzungen, Korrespondenzen, Jahresrückblicke, Rechnungen, Sparbücher und sogar eine Königskette. Vor allem aber enthält er die so genannten Entleerungslisten, in denen die monatlich ausbezahlten Sparbeiträge der einzelnen Mitglieder festgehalten wurden. Die Redensart „Über Geld spricht man nicht“ traf hier keinesfalls zu. Die Vereinsmitglieder konnten genau einsehen, wer wieviel sparte und wer gerade einmal den Mindestbeitrag leistete. Vielleicht diente das der Kontrolle, vielleicht auch dem gegenseitigen Ansporn.

Der Bestand des Sparclubs Kniepsüels vermittelt einen Einblick in die ungewöhnliche Verbindung von Sparsamkeit, Kneipengeselligkeit und Vereinskultur, nicht zuletzt auch durch den immer wieder protokollierten Genuss alkoholischer Getränke.

Archiv für Alltagskultur in Westfalen, Bestand Sparclub Kniepsüels Havixbeck, Inventarnummer K02900.0000.

Cantauw, Christiane: „Ich geh jetzt ´n Bier trinken, weil ich muss ja sparen.“ Sparclubs als kulturwissenschaftliches Terrain, in: Niem, Christina / Schneider, Thomas / Uhlig, Mirko (Hrsg.): Erfahren – Benennen – Verstehen. Den Alltag unter die Lupe nehmen, Münster 2016, S. 67-76.