Frank Högg
Bauliche Zeugen der vormodernen Landwirtschaft in Westfalen und Lippe sind die in einigen Landstrichen noch recht häufig zu findenden niederdeutschen Hallenhäuser. Für diese markanten Wohn- und Wirtschaftsgebäude ist charakteristisch, dass sie – aus moderner baubiologischer und ökologischer Sicht günstig – unter einem großflächigen, weit herabgezogenen Dach, das höher als der darunter befindliche Hauskörper ist, alle Funktionen des bäuerlichen Hofes wie Wohnen, Kochen, Schlafen, Tierhaltung, Vorrats- und Futterhaltung in einem ausgeklügelten, seit dem Mittelalter tradierten, effizienten und elementaren Ordnungssystem vereinen. Aufgrund seiner (bau-)kulturellen Bedeutung wurde das niederdeutsche Hallenhaus im 50. Jahr des Bestehens der Interessengemeinschaft Bauernhaus (IGB) zum „Haus des Jahres 2023“ gekürt und in zwei Ausgaben des „Holznagels“, der Zeitschrift der Hausfreunde, eingehend gewürdigt.
Im Folgenden soll eines der ältesten erhaltenen Hallenhäuser in Nordwestdeutschland, das Teil einer Hofanlage im westlichen Münsterland am Südrand des Teutoburger Waldes ist, unter besonderer Berücksichtigung forschungsgeschichtlicher Aspekte näher vorgestellt werden. Es handelt sich um das Zweiständer-Längsdielenhaus des Hofes Hillebrant in der Bauerschaft Aldrup des Ortes Lengerich. Es ist der Hausforschung schon seit vielen Jahren bekannt und fand auch wegen seiner sprachgeschichtlich hochinteressanten Torinschrift am Wirtschaftsgiebel Beachtung. Die Inschrift fällt vor allem durch die interessante Mischung von unterschiedlichen, im 16. Jahrhundert gebräuchlichen Schriftarten der Textura und lateinischen Großbuchstaben, etwa bei dem abgekürzten „A(nn)o“ oder der Christusformel „IHS“ auf. Der Name des erbauenden Bauern Johan Hillebrant“ ist interessanterweise vom Schnitzer der Inschrift durch einen Nasalstrich abgekürzt worden.