„Wiltu ein zaubersche unter andern weibern erkennen, So schreib diese caracteren auff ein breiblein und leg es in den linckern schue und wende dich gegen die sone, dan kompt die zaubersche und gib dir die lincke hand und hat ein weiss sternken oder streich vor der stirnen biss auff die nase ~ diss sein die worte
[eine Folge verschiedener Zeichen]
Diese legestu unter den lincken fuss in d schue.“
Ob Hundehaare wirklich gegen Ohrenschmerzen helfen, der Geist Aziel Münzen in einem Bannkreis hinterlassen kann oder durch eine Beschwörung eine Frau als „zaubersche“ entlarvt wird, ist fraglich. Dass Menschen sich hingegen Hilfe von magischen Praktiken versprachen, ist historisch belegbar. So kamen sind beispielsweise Fluchtäfelchen mit Schadenszaubern bereits für die Antike belegt.
Die Zauberbücher und Fragelisten im Archiv für Alltagskultur zeigen, dass es sich bei dem Glauben an Magie und Übernatürliches keineswegs um ein Phänomen vergangener Jahrhunderte handelt: Auch in den Sozialen Medien wimmelt es von praktischen magischen Tipps. #witchtok hat auf Tiktok über 36 Milliarden Aufrufe und auch auf Instagram finden sich entsprechende Accounts. Vorwiegend junge Frauen, die sich als Hellseher:innen, Witches, Astrolog:innen, Medien oder Ähnliches bezeichnen, bieten hier ihre Dienste und Hilfestellungen an. Auf ihren Profilen befinden sich beispielsweise Anleitungen für Rituale, Tipps für ein magisches oder spirituelles Leben. Ihnen folgen teilweise zehntausende Menschen. Die Inhalte ähneln sehr denen, die sich bereits in den Zauberbüchern finden, so scheint auch der linke Schuh eine gewisse Bedeutung zu haben:
„Diesen Zauber kannst du jederzeit durchgeführt werden [sic] und hilft gegen energetisch [sic] Angriffe. Das Lorbeerblatt wird in den linken Schuh gesteckt, da die linke Seite die Herzseite ist mein Hexen Tipp [sic] für heute“ – So heißt es im Post eines selbst ernannten Hexers und Mediums auf Instagram. In dem entsprechenden Video nimmt er ein mit einem schwarzen Zeichen bemaltes Lorbeerblatt, legt dies in seinen linken Schuh und zeigt dann, wie er auf einem Teppich mit verschiedenen Symbolen seine Hacken dreimal aneinanderschlägt.
Immer dann, wenn Angst um sich greift oder komplexe Zusammenhänge nicht mehr verstanden werden, suchen Menschen in magischen Vorstellungswelten und Praktiken Halt und Hilfe. Das ist aber nur eine Seite der Medaille, die das Magische leichtfertig als irrig, dumm oder unaufgeklärt abtut. Wie die Kulturanthropologin Elisabeth Timm festgestellt hat, ist Magie „akademisch nicht willkommen“. Sie auszublenden und zu belächeln, wird aber weder der Vergangenheit noch unserer Gegenwart gerecht.
Literatur:
Dieser Beitrag basiert in Teilen auf einem Vortrag, den Christiane Cantauw am 12. Dezember 2019 im Freilichtmuseum Mühlenhof gehalten hat.
Eva Kreissl: ‚Aberglaube‘ als Kulturtechnik. Ein Forschungsprojekt am Grazer Volkskundemuseum, in: Carstensen, Jan. “Verflixt!” Münster, 2013.
Ruff, Margarethe. Zauberpraktiken als Lebenshilfe. Frankfurt/Main 2003.
Timm, Elisabeth: Übernatürliches, in: Graugold. Magazin für Alltagskultur, hrsg. von Christiane Cantauw und Elisabeth Timm, Ausgabe 2, 2022, S. 154 – 156.
Beitrag bei DLF Nova zum Thema #witchtok: https://share.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-audio-teilen.html?audio_id=dira_DRW_abed45f2