Workshop zum Thema „Antoniusfeuer“ in Westfalen näherte sich einem längst vergessenen Krankheitsbild

06.12.2019 Kathrin Schulte

Ein Kunstprojekt im Sommer 2019 widmete sich den furchtbaren Krämpfen der an Ergotismus Erkrankten. Ein Film zu dem Projekt findet sich unter www.youtube.com/watch?v=OdrPryBhry0. Foto: Wobido, AFO.

Workshop zum Thema „Antoniusfeuer“ in Westfalen näherte sich einem längst vergessenen Krankheitsbild

Christiane Cantauw

Heute kaum noch bekannt, war der Ergotismus, eine Mutterkornvergiftung, bis ins 18. Jahrhundert hinein auch in Westfalen weit verbreitet. Anfällig für Mutterkornbefall war vor allem der Roggen, der mit der Ausbildung von Mutterkorn auf ungünstige Witterungseinflüsse reagiert.

Wer Mehl aus von Mutterkorn befallenem Getreide zu sich nahm, der hatte Schlimmes zu erleiden: Die Betroffenen klagten über Brennen und Kribbeln in Armen und Beinen, Verwirrtheit und Halluzinationen. Durch die gefäßverengende Wirkung wanden sie sich schließlich buchstäblich in Krämpfen. Abhilfe versprach man sich durch die Anrufung des Hl. Antonius-Eremita – im Münsterland liebevoll als „Swinetüns“ bezeichnet - , der sich gerade in denjenigen Gegenden, wo viel Roggen angebaut wurde, großer Beliebtheit erfreute. Das lässt sich beispielsweise im Münsterland an zahlreichen Antoniusstatuten, Antoniuskliniken und Patrozinien ablesen.

Auch die Antoniusbruderschaften, die sich z.B. in Münster, Darfeld, Horstmar und Nottuln gegründet hatten, versprachen den Kranken Linderung oder gar Heilung ihrer Leiden. Mit einer kräftigenden „Antoniusdiät“, die aus Schweinefleisch, Weizenbrot und mit Kräutern versetztem Rotwein bestand, rückten sie dem Leiden zu Leibe. Wesentlicher Bestandteil des Heilungsprozesses waren natürlich auch die obligatorischen Gebete an die Adresse des Heiligen.

Was Viele nicht wissen: Mutterkornalkaloide bilden die Grundlage der Droge LSD, mit der wegen ihrer angeblich bewusstseinserweiternden Wirkung seit den späten 1960er Jahren viele Kreative (aber auch einige Jugendbewegte) herumexperimentierten. Eines von vielen Ergebnissen solcher LSD-Einnahmen war beispielsweise der bekannte Beatles-Song „Lucy in the sky with dimonds“.

Pharmazeutisch machte man sich – vor allem in der Geburtshilfe – die blutstillende Wirkung der Mutterkornalkaloide zunutze. Auch in der Epilepsie- und Migränetherapie kamen sie zum Einsatz. So verwundert es nicht, dass es seit der Entdeckung des Wirkstoffs durch Albert Hofmann im Jahre 1938 einen gewissen Bedarf an Mutterkorn gab, dem man durch gezielte Infizierungen von Getreidefeldern entsprach.

Die Arbeitsstelle Forschungstransfer (AFO) der WWU Münster plant für das kommende Jahr eine Ausstellung die über eine künstlerisch-wissenschaftliche Herangehensweise auf das Krankheitsbild, die Behandlung der Erkrankten und die medizin- und kulturhistorische Bedeutung der Thematik aufmerksam machen will.

Ein Austausch mit Regionalforscherinnen und –forschern diente am 21. November 2019 dazu, die Planungen für die Ausstellung auf den Prüfstand zu stellen. Weitere Hinweise auf regionale Besonderheiten und Ausstellungsstücke werden aber gern noch entgegengenommen.

Auch ist es gewiss sinnvoll, sich schon einmal den Eröffnungstermin zu notieren: Die Ausstellung wird am 24. April 2020 im Heimat- und Kulturbahnhof Darfeld eröffnet. Ein spannendes Begleitprogramm ergänzt den weit gespannten thematischen Rahmen und wird noch bekannt gegeben.

Kontakt: Arbeitsstelle Forschungstransfer (AFO), Lena Wobido (lena.wobido@uni-muenster.de)

Kategorie: Ankündigungen

Schlagworte: Christiane Cantauw · Nahrung · Tagung