„Das Parkett“: Zeitschrift zur Erinnerung an einen Tanzkursus (1921)

24.02.2023 Niklas Regenbrecht

Das Parkett, Titelseite.

Anastasia Margariti-Börgel

Unter der Inventarnummer K03139.0048 befindet sich im Archiv für Alltagskultur (Personenbestand Ortjohann) eine äußerst interessante Schrift: Es handelt sich um ein ca. 29 x 23 Zentimeter großes, sogenanntes Erinnerungsblatt, das 1921 von Wilhelm Heumann, herausgegeben wurde. Die zehn Seiten umfassende Hektographie trägt den Titel „Das Parkett“ und wurde anlässlich des Abschlussballs eines Tanzkurses der Tanzschule Thielemann herausgegeben, der am 26. Juni 1921 in Gütersloh stattgefunden hat. Anhand der Unterschriften am Ende der Schrift lässt sich feststellen, dass neben dem Tanzlehrer und seiner Ehefrau insgesamt 16 Personen an dem Tanzkurs teilgenommen haben, sechs von ihnen wirkten in der Redaktion der Erinnerungsschrift mit. Wenn alle Kursteilnehmer: innen und das Tanzlehrerpaar ein Exemplar der Festschrift erhalten haben, ist davon auszugehen, dass „Das Parkett“ eine Auflage von 17 Exemplaren hatte.

Das Parkett, Zur Einführung.

Die Autorinnen und Autoren der zahlreichen Beiträge sind durch Anagramme ihrer Namen kenntlich gemacht. Vielfach verwendete Spitznamen verweisen auf die enge Verbindung der Tänzer:innen zueinander. Finanziert wurde die Festzeitschrift vermutlich von den Redakteuren und oder den Kursteilnehmer:innen – dies deutet zumindest ein einleitendes Gedicht unter dem Titel „Zur Einführung“ an. Ob die korrekte Heftnummerierung (Heft 1/ Jahrgang 1) als Hinweis darauf zu werten ist, dass eine Fortsetzung der Schrift beabsichtigt war, ist fraglich. Eventuell handelt es sich hier auch nur um einen Scherz.

Die Festzeitung ist verziert mit Skizzen und Motiven aus den Tanzstunden, die die humorvollen Beiträge begleiten. Sie berichten von den erlebnisreichen Stunden, dem Verhältnis der Kursteilnehmenden zueinander, aber auch von einzelnen Kursteilnehmer:innen und ihren Charaktereigenschaften, die humorvoll aufs Korn genommen werden.  

Das Parkett, Skizzen.

Das Format ist eine Mischung aus Hochzeits- und Bierzeitung. Inhaltlich steht Humoristisches im Mittelpunkt, so werden beispielsweise nicht ganz ernst gemeinte Ratschläge für Junggesellen oder Verhaltensanweisungen für eine gelungene (zukünftige) Ehe in Form von Geboten gegeben. Auch Tipps für die Annäherung an das weibliche Geschlecht oder fiktive Annoncen der Mitglieder sollen vor allem zur Erheiterung der Leserschaft beitragen.  

Thematisch geht es in dem Erinnerungsblatt ausschließlich um die Beziehung zwischen den beiden Geschlechtern, insofern bestätigt sich die Einschätzung von Tanzkursen als „Partnerbörse“ (siehe dazu auch den Beitrag zu der Tanzkarte aus Lünen). Der humorvolle Charakter der Schrift bringt die freudvolle Zeit des Tanzkurses auf besondere Weise zum Ausdruck.

 

Das Parkett, Anzeigen.

Die Festschrift „Das Parkett“ spiegelt nicht nur den Humor der 1920er Jahre, sondern auch zeittypische Geschlechterrollen, wenn beispielsweise „Frl. Westerhellweg“ aufgrund ihrer „Tanzübung“ während des Kochens, die Mahlzeit auf dem Herd anbrennen lässt und somit ihre Eignung als (zukünftige) Hausfrau auf scherzhafte Weise in Frage gestellt wird. Auch bei der lobenden Erwähnung „brave[r] Mädchen“, die sich bestens für eine Ehe eignen, deuten sich bestimmte Rollenmuster an, die für die jungen Frauen eine baldige Eheschließung und ein Dasein als Hausfrau und Mutter vorsahen.

Das Parkett, Zum Abschied.

Leider blieben die Recherchen nach weiteren Ausgaben von „Das Parkett“ und eine dahingehende Anfrage beim Gütersloher Stadtarchiv erfolglos. Im Gegensatz zu anderen Formen von Unterhaltungsschriften, die oft als Beilage zu den Tages- oder Wochenzeitungen herausgegeben wurden und somit ein breites Publikum erreichten, handelt es sich bei „Das Parkett“ um eine dem Zweck der Erinnerung gewidmete Schrift, deren Leserschaft sich auf die Kursteilnehmenden, deren Familien und die Tanzlehrer begrenzte. Vergleichbare Erinnerungsschriften liegen von Hochzeiten oder Schulabschlüssen, im Einzelfall auch von Vereinsjubiläen vor. Eine für den Abschlussball eines Tanzkurses hergestellte Bierzeitung hat aber durchaus Seltenheitswert - nicht nur in der Sammlung des Archivs der Kommission für Alltagskultur.