Zoff up’n Hoff

05.06.2020

Bei Schulte Epping am Kamin 1936. Foto: Emslandmuseum Lingen

Zoff up’n Hoff

Von Piggenbruten und Freiersfüßen

Andreas Eiynck

Auf dem Mühlenhof gibt es gelegentlich mal Zoff. Das ist nichts Neues und war auch schon so, bevor der Gräftenhof Schulze Osterhoff aus Nienberge zum Aasee in Münster umgesetzt wurde. Der Tapetenwechsel hat daran augenscheinlich nichts geändert.

Der Überlieferung nach führte am alten Standort des Hofes ein unterirdischer Gang unter der Gräfte her, durch den sich die Hofbewohner bei Belagerungen versorgen und Nachschub holen konnten. Beim Abbruch des Hofes wurde danach gesucht, aber man hat nichts davon gefunden.

Über die früheren Bewohner des Gräftenhofes ist bislang wenig bekannt. Eine Nachfahrin der früheren Besitzer war Maria Schulze Epping in Horstmar (1927-2016), die im Jahr 1940 eine umfangreiche Familienchronik verfasste. Darin beschreibt sie auch ihre Vorfahren vom Gräftenhof in Nienberge:

„Mein Ur- Urgroßvater Karl-Hugo Schulze Hobbeling wurde am 19. Juni 1774 zu Ascheberg geboren. Er besuchte die dortige Volksschule und später das Gymnasium in Münster. Darauf studierte er sieben Semester Jura. Durch einen Freund lernte er die Witwe Anna Gertrud Schulze Osterhoff, geborene Schulze Sentrup, kennen. Sein Freund bewarb sich um sie. Die junge Witwe entschied sich aber für Karl Hugo Schulze Hobbeling und sagte: „Denn will ick nich häbben, ower di!“ (Den will ich nicht haben, aber Dich!). Und er heiratete sie am 28. Januar 1799.“

Epping-Töchter in Münsterländer Tellerhauben zum Erntedankfest 1933. Foto: Emslandmuseum Lingen.

Die junge Witwe, die als sogenannte „Piggenbrut“ ihrem zukünftigen Mann einen großen Schulzenhof mit in die Ehe brachte, hatte nun einmal im Leben die freie Auswahl. Dass sie den eigentlichen Freier dabei abgewiesen und stattdessen seinen Freund zum Ehemann wählte, ging in die Annalen des Münsterlandes ein.

Offenbar hat sie eine gute Wahl betroffen, denn Karl-Hugo Schulze Hobbeling erwies sich als tüchtiger Landwirt, findiger Unternehmer und sieben Kinder wurden dem Ehepaar außerdem noch geschenkt. Seine Nachfahrin schrieb dazu in ihrer Chronik:

„Das Ehepaar erfreute sich eines langen Lebens. Es feierte sogar noch die Goldene Hochzeit. Karl-Hugo war ein vielbeschäftiger Mann. Als Boniteur teilte er mit meinem Urgroßvater Anton Schulze Epping zusammen das Schagener Feld im Kirchspiel Horstmar auf. In Nienberge legte er eine Ziegelei an. Er wurde Ehrenbürger der Gemeinde Nienberge, nachdem er vorher jahrelang Gemeindevorsteher gewesen war. Überhaupt hatte er viele Ehrenposten inne. Er starb am 5. September 1857 und Anna Gertrud am 28. Juli 1853.“

Hof Schulze Osterhoff in Nienberg um 1935. Foto: Emslandmuseum Lingen.
Tochter Schulze Epping in Münsterländer Tracht zum Erntedankfest 1933. Foto: Emslandmuseum Lingen.

Diese Eheleute hatten 1805 auch den Anbau des Bauernhauses mit dem schönen Salon errichtet, der heute auf dem Mühlenhof in Münster zu bewundern ist.

Über den eingeheirateten Bauern und ausgebildeten Juristen berichtet Johannes Nepomuk von Schwerz 1836 in seiner „Beschreibung der Landwirthschaft Westfalens“ an mehreren Stellen und zählt den damaligen Hofinhaber zu den „ausgezeichneten Landwirthen … für den lehmigen Theil des Münsterlandes“ (S. 140). Wörtlich berichtet von Schwerz über ihn: „So viel zum Schulzen Osterhoff. Es ist zu bedauern, daß das Münsterland nicht ein paar Schocke solcher Schulzen besitzt“. (S. 184).

Später heiratete sich einer der Nachfahren von Schulze Osterhoff auf den Hof Schulze Epping in Horstmar ein. Auch auf diesem Hof gab es bei der Heiratswahl manchmal Turbulenzen. Ein Vorfahre der Familie, Bernard Hermann Geukinck (1747-1818), kam gebürtig aus Südlohn und hatte dort schon halberlei eine Braut. Als er hörte, dass bei Schulze Epping eine Tochter als Piggenbrut zu Hause bleiben sollte, wurde die Braut in Südlohn kaltgestellt und er heiratete die Epping-Erbtocher. Doch die starb frühzeitig.

Nun heiratete er seine alte Liebe aus Südlohn, Anna Christina Hagemann, und bekam mit ihr noch sieben Kinder. Eine Tochter aus erster Ehe wurde auf einen großen Bauernhof in Schöppingen verheiratet und den Hof Schulze Epping erbte der älteste Sohn aus der Ehe Geucking-Hage, Anton Schulze Epping. Vier weitere Kinder wurden auf große Schulzenhöfe verheiratet.

Junge Leute beim 'Freien' auf dem Hof Schulze Epping. Foto: Emslandmuseum Lingen.

Am Kamin bei Schulze Epping hing früher ein Bild von Napoleon – aus Dank für die Bauernbefreiung im Münsterland, die ja durch ihn verkündet wurde. Damals lernten manche Bauern sogar etwas Französisch und riefen: „Vive la Roi“ (es lebe der König). Damit sie den Spruch nicht vergaßen, bauten sie sich eine Eselsbrücke aus plattdeutschen Begriffen. „Wief“ (Weib), „Lamp“ (Lampe) und „Rüe“ (Hund), das konnte sich jeder Bauer merken.

Über die stolzen Töchter von Schulze Epping hieß es vordem:

„Bi Schult Epping in dat hauge Holt (im hohen Wald)

doo wassen sieben Döchter noch so stolt.

De hooren leiwer de Äxtern (Äxte) klappern

äs de Koaren rappeln.“

(Wenn die Männer im Wald mit den Äxten im Holz arbeiteten, mussten die Frauen dabei nicht helfen, bei anderen Arbeiten in der Landwirtschaft schon).