Zwischen den Jahren
Beobachtungen an der Astronomischen Uhr im Dom zu Münster
Andreas Eiynck
Die Zeit „zwischen den Jahren“ ist von alters her eine Phase der Rückbesinnung auf die vergangenen zwölf Monate, vor allem aber auch die Zeit des Blickes in die Zukunft: auf das neue Jahr und auf die Dinge, die da kommen werden. Doch die Zukunft ist ungewiss und nicht immer sind die Gedanken daran mit Zuversicht verbunden. Da hilft es, wenn man zumindest Teile des Kommenden berechnen kann – und sei es nur in Form des Kalenders mit seinen Wochen-, Fest- und Feiertagen.
Der Jahreslauf ist bestimmt durch den immerwährenden Kreislauf der Gestirne mit ihren langen, aber stets wiederkehrenden Bahnen durch das Weltall. Sonnenjahr und Mondjahr, Planetenbahnen und Jahreskreise bilden die Grundlage der Festtagskreise – so lernte man es einst in den Vorlesungen und Hauptseminaren eines Faches, dass sich „Volkskunde“ nannte. Zum dortigen Lehrstoff gehörte übrigens bereits weit vor der Erfindung der elektronischen Datenverarbeitung der „Computus“, die Vorschrift zur Berechnung des Osterdatums.
Bei diesen Berechnungen begegnen sich Theologie und Astronomie, Astrologie und Mathematik. Nur an wenigen Objekten wird so deutlich wie an der Astronomischen Uhr im Dom zu Münster, die um das Jahr 1400 erstmals erwähnt wird. Nach den Verwüstungen der Wiedertäuferzeit wurde die Uhr 1542 umfassend erneuert. Sie erhielt eine neue Fassade und neue Zifferblätter, gestaltet immerhin von dem berühmten Maler Ludger tom Ring d.Ä. Ob vom mittelalterlichen Räderwerk damals noch viel übrig geblieben war, lässt sich heute nicht mehr klären, denn in den 1930er Jahren wurde das gesamte Uhrwerk durch eine technisch verbesserte Kopie ersetzt. Sämtliche alten Bestandteile gingen dabei verloren. Allerdings zeigt der Aufbau des Uhrwerks bis heute die Merkmale mittelalterlicher Mechanik und damit dürfte diese Astronomische Uhr in ihrer Grundkonzeption bis in die Zeit um 1400 zurückreichen.
Die riesige Uhrscheibe, das Zifferblatt, spiegelt das Wissen der mittelalterlichen Astronomie, die vom Ptolomäischen Weltbild mit der Erde im Mittelpunkt des Planetensystems ausging. Die Bahnen der Himmelskörper, ja selbst die Mondphasen wurden dementsprechend erfasst und in ein Räderwerk mit Planetenzeigern umgesetzt. Dabei gibt die Drehung des Sonnenzeigers den Takt für alle anderen Zeiger. Durch komplizierte Getriebe mit Zwischenzahnrädern erhalten die Planentenzeiger ihre passende Drehgeschwindigkeit. Die richtige Übersetzung der Zahnräder konnte man damals nur mit komplizierten Kettenbrüchen ausrechnen. So dokumentiert die Mechanik auch die mathematischen Kenntnisse ihrer Erbauer.
Durch die Kombination mit den Tierkreisen diente das Anzeigenblatt, ergänzt durch mechanische Anzeige für die Tages- und Stundenregenten, dann auch als Grundlage für astrologische Berechnungen, die damals eine große Bedeutung hatten und allgemein verbreitet waren.