Die Tagebücher der Renate Brockpähler (1938-1946)
Renate Brockpähler aus Münster schrieb seit ihrem 11. Lebensjahr regelmäßig in ihr Tagebuch. Die zehn überlieferten Tagebücher decken die Zeit zwischen 1938 und 1946 ab. Sie berichtet darin über ihren Alltag als Jugendliche zur Zeit des Nationalsozialismus, der zunehmend vom Krieg geprägt wurde. Neben Äußerungen über Schulnoten und Kinobesuche stehen Bemerkungen über Bombenalarme und das Kriegsgeschehen. Auf Berichte über Familienurlaube folgen Passagen, die zeigen, wie die Heranwachsende von nationalsozialistischer Propaganda und Indoktrination geprägt wurde und wie sie diese übernahm. Die Tagebücher gehen mehr als ein Jahr über das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft hinaus. Sie zeigen das „böse Erwachen“, das persönliche Realisieren, auf die Propaganda eines verbrecherischen Regimes hereingefallen zu sein.
Nach dem Studium der Volkskunde, Musikwissenschaft und Germanistik arbeitete Renate Brockpähler als wissenschaftliche Referentin bei der Volkskundlichen Kommission für Westfalen (heute Kommission Alltagskulturforschung für Westfalen). Sie übernahm die Leitung des Archivs für westfälische Volkskunde (heute Archiv für Alltagskultur in Westfalen). Ihr Nachlass, der neben ihren Tagebüchern eine Vielzahl von persönlichen Dokumenten und Unterlagen ihrer wissenschaftlichen Forschung enthält, wird heute hier verwahrt.
Die zehn Tagebücher stellen eine vortreffliche Quelle für die Geschichte der Jugend im Nationalsozialismus dar. Sie spiegeln eine Entwicklung von Begeisterung hin zu einer kritischen Sichtweise über das Regime. Sie zeigen den ambivalenten Kriegsalltag einer Heranwachsenden zwischen Freundschaften und Schule einerseits und Bombenkrieg, BDM und Arbeitsdienst andererseits. Sie verdeutlichen, was sie als Jugendliche von der verbandspolitischen Arbeit ihres Vaters Wilhelm Brockpähler im Westfälischen Heimatbund im Kleinen und von der Kriegspolitik im Großen mitbekam.
Um diese interessante Quelle einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, arbeitet die Kommission Alltagskulturforschung an einer kommentierten Edition der Tagebücher, die in der Schriftenreihe „Rückblick. Autobiographische Materialien“ erscheinen wird.
Ansprechpartner
Niklas Regenbrecht
(0251) 83-24405
niklas.regenbrecht@lwl.org